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Kirche in WDR 2 | 22.07.2025 | 05:55 Uhr
Boomer
Ich gehöre auch dazu. Zu denen, von denen es immer zu viele gab.
Zu große Gruppen im Kindergarten, zu große Klassen in den Schulen, zu viele Bewerber auf Ausbildungs- und Studienplätze.
Harter Konkurrenzkampf um Arbeitsplätze in den verschiedenen Berufsgruppen.
Boomer, halt. Und die gehen jetzt. In Rente, Pension, Altersteilzeit.
Durchaus ein Problem für die Kassen- und Rentenversicherungen. Zugegeben: nicht ganz so überraschend, aber deshalb nicht weniger drängend.
Aus Boomer Sicht reicht die Reaktion von: „Ist mir doch egal“ bis zu halbschlechtem Gewissen wegen der erworbenen Altersversorgung bis hin zu dem Irrtum, sich selbst und seine Berufserfahrung zu wichtig zu nehmen.
Zu wichtig.
Wie jetzt? Zu wichtig? Sind nicht wir diejenigen mit der Erfahrung. Mit der Jahrzehntelangen Arbeitserfahrung in Prozessen, Verhandlungen, Abläufen, Verfahren? Sind nicht wir diejenigen, die sinnvolle Neuerungen etabliert und alte Rechte gefestigt haben? Sind nicht wir diejenigen, die wissen wie´s läuft und deshalb glauben einschätzen zu können, und zu wissen wie es in Zukunft laufen wird?
Tja. Wohl eher nicht.
Weil: Die Welt ändert sich. Neuer Kontext, neue Probleme, neue Lösungen.
Ok. Aber allein dadurch wird die alte Erkenntnis und die bewährte Erfahrung nicht überflüssig - natürlich nicht. Nur: Die alte Erkenntnis und die bewährte Erfahrung sind eben nur noch, wenn überhaupt, Teil der Lösung, nicht notwendigerweise die Lösung.
An dieser Stelle gibt es für mich als Boomer natürlich jede Menge Gelegenheit. mich gekränkt zu fühlen. Anstatt zu sehen, dass dies nicht in oder an mir, sondern in der Natur des Lebens liegt: Die Dinge werden notwendigerweise komplexer.
Karl Barth, einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts und von sich sehr überzeugt, schrieb 1964 im Alter von 78 Jahren:
„Du sollst dir klarmachen, dass die jüngeren Menschen beiderlei Geschlechts das Recht haben, ihre Wege nach ihren eigenen - nicht deinen - Grundsätzen, Ideen und Gelüsten zu gehen. Und sie haben das Recht, ihre eigenen Erfahrungen zu machen und nach ihrer eigenen - nicht deiner - Fasson selig zu sein und zu werden.“
Wie gesagt: Ich als Boomer gehöre auch dazu. Auch ich muss mir klar machen, dass die Jüngeren diese Rechte haben. Hat ja keiner gesagt, dass das immer einfach ist.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius