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Hörmal | 20.07.2025 | 07:45 Uhr
Sommerblues
Sommerblues - die Sache mit der Traurigkeit, eigentlich kein Sommerthema. Aber das ist der Traurigkeit egal. Sie kommt, wann sie will. Und bleibt, solange sie will. Egal ob draußen Maxihitze und Minikleid-Wetter ist, oder ob es schüttet aus allen Rohren. Die Traurigkeit ist ein Menschheitsthema, nichts was man verstecken muss.
Auch in alten Kirchenliedern wird sie schon besungen (Jesu meine Freude, EG 396): „Weicht, ihr Trauergeister! denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein. Denen, die Gott lieben, soll auch ihr Betrüben lauter Freude sein.“ Ein Antidepressivum aus dem 17. Jahrhundert. Gottes Liebe kann trösten in aller Verlorenheit.
Über Traurigkeit hab‘ ich gerade auch etwas von dem 14-jährigen Leon gelernt. In der Schule muss er ein Referat zum Thema „Tod und Trauer“ halten. Davon kennt er was. In der Pause verzieht sich Leon am liebsten an seinen Lieblingsort zwischen Turnhalle und Schulgarten. Wo ihn keiner sieht, auch nicht, wenn ihm manchmal die Tränen kommen. Warum, weiß er selber nicht - „depri-light“ eben.
„Es ist als würde sich unter mir ein großer schwarzer Strudel bilden, von dem ein kalter Sog aus Traurigkeit ausgeht“, so beschreibt Leon das, „wie ein schwarzes Loch, das gerade meine Seele frisst“. Und er fühlt sich verdammt allein damit, bis er auf Rouven trifft: „Man braucht Leute, die auf einen aufpassen“, sagt Rouven und ganz vorsichtig werden sie Freunde.
Eine bewegende Geschichte, aber ehrlich gesagt: Es ist der Stoff eines neuen Jugendromans (der gerade den Ev. Buchpreis 2025 bekommen hat): „Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit.“ Der Autor, Volker Surmann, ist Satiriker, er liebt das Skurrile. Etwa wenn Leon sich als „Ort der Trauer“ für sein Referat ein Holzkreuz an der Ampel auf dem Schulweg aussucht. Dort ist ein 23-jähriger Radfahrer von einem LKW totgefahren worden, genau an Leons Geburtstag im September. Ein Schild erinnert daran. Und jetzt erforschen Leon und Rouven mit kriminalistischem Spürsinn die Hintergründe.
Am Ende muss Leon seine Tränen nicht mehr hinter der Turnhalle verstecken. Er darf schwach sein und das macht ihn stark. Einer der kürzesten Verse in der Bibel ist übrigens: „Jesus weinte“ (Johannesevangelium 11,35). Ein Freund war gestorben und er trauerte mit den Trauernden – gemeinsam. Darum, fasst euch an den Händen: Bühne frei für Traurigkeit und Sommerblues! Passende Musik dazu gibt’s ja genug…
Literatur: Evangelischer Buchpreis 2025
Volker Surmann: Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit. Mixtvision Verlag, München 2024, 224 Seiten, 16 Euro
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius