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Kirche in WDR 2 | 01.10.2025 | 05:55 Uhr
Wir schaffen das
Vor zehn Jahren sagt Angela Merkel: „Wir schaffen das.“ Ich erinnere mich an den Moment. Ein Gänsehautmoment. Ich spüre die Kraft, die in diesen Worten steckt. Ich finde den Satz immer noch gut. Er spricht mich an, weil er zeigt, dass es Menschen mit einem großem Herz gibt. Menschen, die helfen wollen und können.
Heute stehen wir vor der Frage, was wir wirklich geschafft haben. Ganz viel, finde ich. Aber ausruhen können wir uns auf den Lorbeeren nicht. Die Ausländerfeindlichkeit wächst. Viele haben Angst, zu sagen, woher sie kommen. Und Grenzkontrollen machen alles komplizierter. Die Realität ist oft härter, als wir sie wahrhaben wollen.
Ich denke an die Menschen auf dem Mittelmeer. Sie riskieren ihr Leben, weil sie keine andere Wahl haben. Die Boote werden oft zurückgeschickt oder sogar absichtlich zum Kentern gebracht. Die Organisation Sea-Watch – die auch meine Kirche unterstützt – setzt sich für sie ein. Sie rettet Menschen, die Schutz suchen. Und ich frage mich: Was kann ich tun? Wie kann ich Mitmenschlichkeit leben, statt nur zuzusehen?
„Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen.“, heißt es in der Bibel. (3) Und: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (2) Ich lese das und denke: So schwer kann das mit der Mitmenschlichkeit ja nicht sein. Mitmenschlichkeit zeigt sich für mich darin, dass ich Menschen sehe und ihnen Raum gebe. Auch aus der Ferne kann ich Anteil nehmen, kleine Zeichen mit Spenden und Petitionen setzen und so ein Stück Hoffnung weitergeben.
Das Grundgesetz sichert das Recht auf Asyl. Artikel 16a gilt für alle, die Schutz suchen. Finde ich gut, denn: Dieses Recht gibt mir konkret die Möglichkeit, aktiv zu werden. Ich kann Menschen unterstützen, die Schutz suchen – in Unterkünften, bei Behörden oder in meinem direkten Umfeld. Ich kann mich politisch oder zivilgesellschaftlich einsetzen, ihre Rechte sichtbar zu machen und dafür sorgen, dass sie wahrgenommen werden. Ich kann informieren, zuhören, helfen, dass dieses Recht gelebt wird. Ich weiß, dass ich nicht alles ändern kann. Aber ich kann handeln, und gerade diese Handlungen machen einen Unterschied. Mein Potenzial wird durch dieses Recht gestützt – und das gibt mir Hoffnung und Verantwortung zugleich.
Quellen: (1) Die Bibel, Mose 19,34, (2) Die Bibel, Lukas 6,36
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius