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Kirche in WDR 2 | 28.07.2025 | 05:55 Uhr
Verbindlichkeit ist sexy
Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist, ist das Wochenende auch schon wieder vorbei. Und vielleicht sind Sie heute Morgen mitten in den Ferien. Gehen in Gedanken schon mal die erste Bergtour. Und sind voller Vorfreude auf einen imposanten Gipfelblick.
Wenn ich an Bergtouren, steile Hänge und Kraxelei denke, dann fällt mir sofort eine Geschichte aus der Bibel ein. Und die geht so: Jesus steht mit seinen Jungs irgendwo in einem gottverlassenen Kaff. Der Tag war lang, allen läuft der Schweiß über die Backen wie Wasser aus einem Eimer mit Löchern. Und da stellt Jesus plötzlich diese Frage, wie sie sonst nur in schlechten Soap-Operas auftaucht: "Und ihr so?“ Fragt er. „Für wen haltet ihr mich?" Ins peinliche Schweigen hinein sagt Simon, der Fischer: „Du bist der Messias, Sohn des lebendigen Gottes.“ Gut gemacht, Schulterklopfen, Fleißkärtchen im Religionsunterricht. Könnte man meinen. Aber die Geschichte geht anders weiter. Jesus gibt dem Simon kurzentschlossen einen neuen Namen. Petrus soll er fortan heißen. Der Fels. Und nicht nur das. „Auf dich bau ich meine Kirche“, sagt er noch.
Also wirklich.
Alle sind irritiert. Ausgerechnet Petrus? Laberbacke, Angeber, Streber und
Feigling in einer Person?
Der Mann, der als
es darauf ankommt, sagt: „Ich kenne diesen Jesus nicht! Ich hab nichts mit ihm
zu tun!“ Nicht nur einmal, sondern drei Mal? Der über alle Berge ist, als Jesus
einsam und allein am Kreuz stirbt?
Ist das
nicht ein bisschen so, als würde man den salzarmen Karl Lauterbach zum
Partyscout auf dem Ballermann machen? Warum gerade Petrus?
Vielleicht: Weil er eine ehrliche Haut ist. Weil er sich nicht verstellt. Auch wenn er selbst merkt, dass er es nicht immer gebacken kriegt. Das macht ihn – paradox, aber wahr – zum perfekten Felsen in einer Welt, in der man sich heute vermeintlich auf Insta eine perfekte personality zusammenklicken kann. Diese Zeit ist seltsam und anstrengend. Vieles löst sich auf: Beziehungen, Ideale, Festnetznummern. Du kannst heute nicht mal mehr sicher sein, dass der amerikanische Präsident morgen noch dasselbe sagt wie gestern. Und genau da sagt dieser uralte Text etwas radikal Relevantes: Verbindlichkeit ist sexy. Petrus ist kein Insta-Held. Der ist vorlaut. Der versagt. Der zweifelt. Und trotzdem – oder gerade deswegen – bekommt er Vertrauen geschenkt. Man könnte sagen: Jesus traut ihm mehr zu, als Petrus sich selbst. Ist das nicht großartig? Manchmal braucht es doch genau das. Das könnte sich übrigens mal die ein oder andere Führungskraft hinter die Ohren schreiben. Vertrauen zu geben, bevor jemand etwas geleistet hat. Das klingt doch ziemlich göttlich, oder?
Und vielleicht liegt genau darin die Bedeutung der Geschichte für heute. Die Welt braucht Felsen. Menschen, die nicht unerschütterlich sind, sondern verlässlich. Nicht perfekt, aber greifbar. Nicht laut, aber da. So wie einer, der in meinem Kummer einfach mit Pommes vorbeikommt, ohne zu fragen. Wie die Lehrerin, die an dich glaubt, obwohl du das Abi nur mit Glück bestehst. Der Fels ist nicht der Typ, der immer alles richtig macht. Sondern der, der ehrlich ist, wenn’s ungemütlich wird. Menschen, die zwischen all dem Krawall in der Welt, Kalenderstress und Identitätskrisen sagen: „Ich bin nicht perfekt. Aber ich tue, was ich kann.“ Und das ist gut. Nicht nur in den Ferien. Und nicht nur an einem Montagmorgen.