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Kirche in WDR 3 | 10.09.2025 | 07:50 Uhr
Was ich so mit mir herumtrage
Guten Morgen! Eigentlich gehörte sie schon längst weggeschmissen, aber ich hänge noch sehr an ihr: meine Aktentasche aus Naturleder. Die habe ich mir vor 40 Jahren gekauft während meines Studiums in Freiburg. Sie war damals echt teuer für mich als Student, aber eine nachhaltige Investition! Teuer ist dann doch manchmal auf lange Sicht günstiger, als billig zu kaufen. Immerhin – die Aktentasche begleitet mich bis heute. Und was soll ich sagen, sie hält immer noch, auch wenn man ihr die Jahre ansieht: Das Leder sieht an Stellen abgegriffen und speckig aus vom Schweiß der Hände, dann sind da Macken und Risse. Ich weiß nicht, wie oft ich sie schon habe reparieren, sprich nähen lassen, aber der Gebrauch hinterlässt eben seine Spuren.
Was habe ich alles damit herumgetragen? Meine Mitschriften und Bücher, Butterbrote zum Mittagessen, meine Abschlussarbeiten und Urkunden, später dann Unterrichtsmaterialien, als ich Religionslehrer war, und heute vor allem Akten. Und so spiegelt die Tasche etwas wider von weiten Teilen meines Lebens. Denn im Leben trage ich ja auch im übertragenen Sinne so manches mit mir herum, Leichtes und Schweres. Geht auch nicht anders, denn ich nehme mich ja selbst immer mit und muss mich selbst tragen und ertragen: Wie habe ich mich abgemüht, um für die Prüfungen zu lernen, und wie froh war ich nach den Examena, wie stolz, als ich meine Zeugnisse nach Hause trug. Dann die vielen Akten und Materialien für Konferenzen, die nicht nur schwer in der Tasche zu tragen sind, sondern mich darüber hinaus auch belastet haben und manchmal immer noch belasten. Aber ich genieße auch immer noch meine geschmierten Brötchen und den Apfel, die ich für die Mittagspause in der Tasche mitnehme.
Neben einem kleinen Regenschirm gib es noch etwas anderes, dass ich seit Jahren immer in meiner Aktentasche mit mir herumschleppe. Nein, es ist nicht die Bibel, wie Sie jetzt vielleicht vermuten könnten bei einer kirchlichen Sendung. Es ist ein kleines Taschenbuch, in das ich zwar selten, aber doch immer mal wieder hineinschaue, in kleinen Pausen so zwischendurch. Es sind spirituelle Tagebuchaufzeichnungen des Friedensnobelpreisträgers Dag Hammarskjöld [Dog Hamarchöld], die mir helfen, so manche Last zu tragen. Hammarskjöld hatte nämlich auch ganz schön viel mit sich herumgeschleppt: Er war von 1953 bis zu seinem Tod 1961 der Generalsekretär der Vereinten Nationen. Und in dieser Eigenschaft war er auf der internationalen Bühne als Vermittler unterwegs – ein heikles und belastendes Geschäft. Seine letzte Mission führte ihn zu Friedensverhandlungen nach Zentralafrika, in das Gebiet der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Der Grund für die Mission war eine nationale Krise, die allerdings im Kalten Krieg zwischen Ost und West internationale Bedeutung hatte. Auf bis heute ungeklärte Weise stürzte sein Flugzeug am 18. September ab, also vor fast genau 64 Jahren. In seinem Nachlass fand man seine spirituellen Aufzeichnungen, die er ab und an gemacht hatte. Sie tragen im Deutschen den Titel „Zeichen am Weg“. Viele Notizen zeigen, wie er an sich zu tragen hatte, mit sich und den Problemen gerungen hat und dennoch versuchte, den Überblick zu behalten. So schreibt er zum Beispiel: „Sorge nicht, wohin dich der einzelne Schritt führt: nur wer weit blickt, findet sich zurecht.“[1]
Behalten wir in
diesem den Überblick, trotz der Lasten, die wir zu tragen haben – das wünscht
Pater Philipp Reichling aus Duisburg.
[1] Dag Hammarskjöld, Zeichen am Weg München 1965, S. 18.