Beiträge auf: wdr4
Sonntagskirche | 24.08.2025 | 08:55 Uhr
Abschalten
Guten Morgen.
Schön, dass Sie da sind und zuhören. Und hoffentlich auch dranbleiben.
Wobei… Ab und zu muss man auch abschalten – ja, auch Radio, Fernseher, Tablet oder Handy.
„Abschalten nicht vergessen“. Das hat der wohl berühmteste Bauwagen-Bewohner immer gesagt und vorgemacht, wie es geht: Ein eindringlicher Blick, eine kurze Drehbewegung mit der Hand, und dann sagte Peter Lustig von der Fernsehsendung „Löwenzahn“ zu uns Kindern, die zuschauten: „Abschalten nicht vergessen!“ Ja, damals hatten Fernseher tatsächlich noch Drehknöpfe. Damals gab es nachts auch noch Testbilder und echtes weißes Rauschen.
Schon seit den 80ern war Peter Lustig seiner Zeit weit voraus. Und nicht nur mit dem Satz vom Abschalten. So hat er etwa dem Tanklastwagenfahrer erklärt, dass sein Auto eine Batterie hat - und dass eines Tages alle Autos mit Strom fahren werden, und es dann kein stinkendes Benzin mehr braucht. Und: Dass der Strom dafür zum Beispiel von Windkraftanlagen kommen wird.
Viele Dinge weiß ich, weil ich sie durch „Löwenzahn“ gelernt habe. Zum Beispiel auch die Geschichte des Telefons. Die erzählt Peter Lustig, als der Nachbar ihn mit seinem „neuen Wunder der Technik“ nervt – einem mobilen Telefon, mit dem er laut im Garten telefoniert. Das war die Zeit, in der unsere Telefone noch an einer Schnur hingen. Damals war das Telefonieren mit dem Handy noch eine Zukunftsvision. Der Nachbar spricht aus, was später Wirklichkeit werden wird: „Der moderne Mensch ist ständig mit der ganzen Welt verbunden und überall erreichbar“.
Nun, Recht hatte er. Willkommen, Jahrzehnte später, in der Gegenwart der Überall-Erreichbarkeit. Der Drehknopf ist Vergangenheit und der Sendeschluss Geschichte. Und den einst mahnenden Satz, gibt es nicht mehr: „Abschalten nicht vergessen.“
Stattdessen heißt es eigentlich überall: „Weitere Informationen finden Sie unter www.fügenSiebeliebigwasein.de“. Schöne neue Welt.
Natürlich haben wir längst bemerkt, dass uns das nicht guttut. Darum haben wir neue Wörter erfunden wie „Always-on-Müdigkeit“, „Reizüberflutung“ und „Konsumkater“. Wir üben uns in „Achtsamkeit“ und „Digital Detox“. Nicht erreichbar Sein ist der neue Luxus.
Das hätte ich mir als Kind kaum träumen lassen, dass ich eines Tages vermissen würde, dass einer regelmäßig zu mir sagt: „Abschalten nicht vergessen.“ Dass irgendwann am Tag einfach Sendeschluss ist.
Aber halt: Doch, das gibt es noch: Für mich ist ein Sendeschluss der Segen. Mit ihm beende ich jeden Gottesdienst, oft auch Dienstbesprechungen oder andere Zusammenkünfte. Segen ist für mich wie einen Moment Abschalten. Er unterbricht den Lärm, schenkt Stille und erinnert mich daran, was wirklich zählt: „Gott segne Dich und behüte Dich. Gott lasse das Gesicht über Dir leuchten und sei Dir gnädig. Gott wende dir das Gesicht zu und gebe Dir Frieden.“ (4. Mose 6,24-26, nach BasisBibel, diversitätsangepasst) Amen. Einen schönen Sonntag – schalten Sie mal ab, es muss ja nicht das Radio sein.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze