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Kirche in WDR 3 | 21.07.2025 | 07:50 Uhr
Ampelstories
Guten Morgen.
Mein Drahtesel und ich erleben eigentlich fast jeden Tag irgendwelche Abenteuer.
Ich fahr gern mit dem Rad, am liebsten überall hin. Da krieg ich nicht nur Bewegung und frische Luft, sondern ich krieg mit, was gerade um mich herum so passiert. Das Wetter, die Laune der Menschen unterwegs, und wie die Unterführung heute so riecht.
Oder Geschichten, die echt nur das Leben schreiben kann.
Ich steh an der Ampel und warte auf grün. Es ist morgens, und auf dem Fahrradstreifen stehen noch ungefähr zehn weitere Radfahrer. Einer jüngeren Radfahrerin zwei Reihen vor mir fällt plötzlich die Zigarettenpackung aus der Jackentasche. Sie merkt es nicht, es wird grün, und sie fährt los. Eine andere jüngere Frau schräg vor mir hat das aber gemerkt und hebt die Packung auf. Nimmt sie in die Hand und tritt in die Pedale ihres echt klapprigen Fahrrads als gäb`s kein Morgen mehr. Denn die andere Frau sitzt auf einem Rennrad und radelt easy peasy ganz vorne in der Gruppe voran. Das ist schon selten dämlich, die Zigaretten in eine offene Jackentasche zu stecken und sich dann auf dem Rennrad nach vorne zu beugen. Ist doch klar, dass das rausfällt. Ich bin aber neugierig, wie es ausgeht und gebe auch Gas. Kurz vor der dritten Ampel holt die Frau mit dem klapprigen Rad die Rennradfahrerin ein und drückt ihr einfach die Zigaretten in die Hand. Mit Schwung überholt sie sie und biegt rechts ab. Ihr breites Lächeln sehe ich echt bis zu mir. Süß, finde ich. Sie hat alles aus ihrem Klapperrad rausgeholt, um ein paar Zigaretten zurückzugeben. Und freut sich über die Heldentat. Ich freu mich auch und radel weiter. Ohne Witz, zwei Ampeln weiter, es ist wieder rot, fällt der Frau mit dem Rennrad aus der anderen Jackentasche ein Feuerzeug raus. Und wieder merkt die Frau das nicht. Und fährt bei grün los. Direkt hinter ihr beugt sich eine andere junge Frau vom Rad und hebt das Feuerzeug auf. Sie tritt in die Pedale, um die Rennradfahrerin mit den offenen Taschen einzuholen. Ich kanns nicht fassen, es passiert einfach das Gleiche nochmal! Eine Ampel weiter überholt die junge Frau die Rennradfahrerin und reicht ihr im Vorbeifahren das Feuerzeug. Auch sie sehe ich lächeln, als sie abbiegt. Es ist unglaublich.
Ganz ehrlich: Ich hätte richtig gern gewusst, was die Rennradfahrerin in dem Moment gedacht hat. Irgendwann musste ich abbiegen und konnte sie leider nicht mehr ansprechen.
Aber vergessen werde ich diese Bilder nicht. Wie schön kann diese Welt eigentlich sein, wenn Menschen sich anstrengen und richtig in die Pedale treten, um jemandem einfach nur ein paar Zigaretten und ein Feuerzeug hinterherzutragen? Es ist ja nicht ein Portemonnaie oder eine teure Kette - es ist einfach nur ein Feuerzeug. Wie schön ist diese Welt, dass die beiden jungen Frauen einfach zugepackt haben und mit so einem breiten Lächeln einfach weitergefahren sind?
Kleine gute Taten haben manchmal eine große Wirkung: Die Rennradfahrerin, die sich gesehen fühlt, die beiden jungen Frauen, die einfach so geholfen haben und selbst darüber lächeln müssen. Und ich, weil ich das Ganze gesehen habe und denke: Die Welt kann manchmal so schön sein!
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und 5:)
Liebe Grüße aus Köln,
Ihre Pfarrerin Inga Waschke.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
