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Kirche in WDR 4 | 27.08.2025 | 08:55 Uhr
Sowohl als auch
Heute ist der „Sowohl als auch Tag“. Zumindest für viele Kinder und ihre Eltern. Nach sechs Wochen Sommerferien geht die Schule wieder los. Das ist sowohl schade, weil in den Ferien die Uhren mal so herrlich anders ticken. Als auch wunderbar, weil endlich wieder ein bisschen Alltag einkehrt. Immer wieder höre ich von Eltern, dass sie das Ende der Ferien herbeisehnen. Weil die Struktur irgendwie allen auch ganz gut tut. Und weil Ferien auch fordern, wenn man viele Stunden aufeinander hockt und sich dabei auch mal auf die Nerven geht. Wenn das Wetter oder das Geld nicht zu dem passt, was man gerne machen würde. Wenn einige Familienmitglieder arbeiten müssen, während andere frei haben. All sowas. Kurzum: Sommerferien sind für viele sowohl großartig als auch herausfordernd.
Und dieses „Sowohl als auch-Gefühl“, finde ich nicht nur für die ersten Schultage wichtig, sondern ganz grundsätzlich. Das ist nämlich das Gegenteil von Schwarz-weiß-Denken, von „entweder-oder“. Wir sollten dem „Sowohl-als-auch“ einen roten Teppich auslegen. Es tut unserem Miteinander gut, wenn wir ernstnehmen, dass verschiedene Gefühle, Ansichten und Erfahrungen gleichzeitig da sind. Von der Autorin und Podcasterin Sophie Passmann habe ich vor kurzem einen klugen Gedanken dazu gehört. Sie schlägt vor, Informationen, die wir bekommen, erstmal „in ein Regal zu stellen“. Das meint: Guck Dir diese Information erstmal in Ruhe an, bevor Du sie bewertest und was damit machst. Vielleicht kommt auf dem zweiten oder dritten Blick noch eine Idee dazu. Ich glaube, das wäre ein wirklich guter Umgang mit allen möglichen Informationen. Die am Gartenzaun oder in den Nachrichten. Letztlich ist ja alles eine Information, was wir hören, sehen, riechen, schmecken, fühlen, denken können. Ganz schön reichlich!
So ein „erstmal ins Regal stellen“ führt zu immer mehr „Sowohl-als-auch.“ Und das macht das Leben nicht unbedingt leichter. Im Gegenteil, je mehr Aspekte ich erkenne, desto komplexer. Und zugleich glaube ich fest, dass darin ein wichtiger Punkt für unser Zusammenleben liegt: Dass wir für möglich halten, dass es immer auch noch anders sein kann, als wir auf den ersten Blick denken. Dass erste Schultage großartig und doof sein können, dass Urlaube anstrengend und herrlich sind, dass Menschen sich lieben und trotzdem froh sind, wenn sie sich mal für ein paar Stunden nicht sehen. Und so weiter. Es gibt kaum schwarz-weiß, sondern jede Menge sowohl als auch, beim andern, wie bei mir selbst. Und ich merke, je mehr ich das mir und dem anderen zugestehe, desto leichter fällt es mir, toleranter zu werden und all diese Gleichzeitigkeiten nicht nur auszuhalten, sondern immer öfter zu feiern.