Beiträge auf: wdr4
Kirche in WDR 4 | 14.07.2025 | 08:55 Uhr
Sommerleichtigkeit
Heute ist
wieder Montag, und weil heute Montag ist ist das Wochenende auch schon wieder
vorbei. Tja. Und ob Wochenende oder Werktag: Unser Pudel Greta lässt sich
neuerdings die Treppe runtertragen. Und was mache ich? Ich trage. Und weil wir
in der vierten Etage wohnen, ist es klug, zusätzlich zum Hund noch jeden möglichen
anderen Klimbim mit nach unten zu nehmen. Mülltüte in der linken Hand, im Mund
die Leine und den Hund wie eine würdige Sphinx auf dem Arm. Greta hats an den Knien.
Deswegen sind Treppenstufen zunehmend Gift für ihre Kniegelenke. Und während
ich die Stufen herunter balanciere, grüble ich: Vielleicht denkt der Hund: „Ich
wills mir leichter machen.“ Und wenn es so wäre: er wäre klug. Und deswegen
kommt heute von mir ein Appell: Wir brauchen Leichtigkeit. Und die kommt nicht
im Winter. Da kommt bloß eine schwere Erkältung nach der anderen. Leichtigkeit
– das ist Sommer. Und der Sommer ist in Gefahr. Es reicht ja schon, dass Herbst
und Winter seit Jahren so klingen, als würde jemand mit der Gabel auf einem
Porzellanteller kratzen. Kriege, Krisen, Klimakatastrophen. Und jetzt auch noch
ein schwerer Sommer? Das wäre ungefähr so, als würde dein Zahnarzt dir sagen:
„Also, die Betäubungs-Spritze ist leer – wir bohren
trotzdem.“ Der Sommer darf nicht auch noch
düster werden. Um Himmels Willen! Der muss bleiben, wie er ist: sinnlos, süß,
verschwitzt und leicht bescheuert. Sommer ist doch, wenn Männer über 50 ihre Waden
zeigen, als hätten sie einen Werbevertrag mit der Senioren-Vogue. Sommer ist,
wenn du morgens denkst: „Ich geh heute joggen“ und abends trotzdem wieder am
See sitzt mit einem Bier, das warm ist wie der Atem Gottes. Und du bist
glücklich. Oder wenigstens zu träge, um unglücklich zu sein. Sommer, das ist
doch die Zeit, in der du verschwitzt darüber
nachdenkst, welche Geschichte hinter der Tätowierung steckt, die dir der
Oberarm am Büdchen entgegengestreckt. Oder ob da ein Unglücklicher bloß eine
Wette verloren hat. Ich finde, wir brauchen das. Wir brauchen den Moment, in
dem wir auf der Parkbank sitzen und jemand auf seiner scheppernden
Bluetooth-Box aus dem Ein-Euro-Laden „Despacito“ in Endlosschleife hört. Und ich
mich dabei ertappe, dass ich mich nicht aufrege, sondern mit dem Kopf nicke, natürlich
im Takt. Wir brauchen das Eis, das entweder zu schnell schmilzt oder auf den
Boden fällt oder beides. Her mit den Grillanzündern, die nie funktionieren! Wo bleiben
die Mückenstiche ausgerechnet an den Stellen, die man in der U-Bahn besser
nicht kratzen sollte? Ich rieche schon die Freibadpommes, die aussehen wie
abgebrannte Zündhölzer und die trotzdem die besten sind, die du je gegessen
hast. Das ist vielleicht das beste am Sommer: seine Übertreibungen. Beste
Aussicht. Bester Strand. Bester Sonnenuntergang ever. Das ist keine
Flucht, das ist Systemrelevanz. Das ist übertriebene Hoffnung wider alle
Hoffnung. Osterfreude bei 35 Grad in Adiletten. Du kannst einfach nicht dauernd
die Welt retten, wenn du innerlich einem leeren Sodastreamer immer ähnlicher
wirst. Ob Greta das weiß? Ob sie sich deswegen im frisch gemähten Gras wälzt,
um anschließend auszusehen wie ein Waldmeisterpuddig auf vier Beinen? Ich bin
jedenfalls entschlossen, gepflegt sommerlich unbekümmert zu sein.
Wie ein Cocktailschirmchen gegen aufziehenden
Wind. Wenn schon der Hund den Sommer leichtnimmt, sollte ich’s auch versuchen. Aber
echt jetzt. Nicht nur an diesem Montagmorgen.