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Kirche in WDR 5 | 27.08.2025 | 06:55 Uhr
Schulanfang
Guten Morgen! Heute ist Schulbeginn in NRW. Und das bedeutet für etwa 180.000 Erstklässler ihren allersten Schultag. Auch wenn die meisten von denen mich jetzt nicht hören: Meine Gedanken sind bei den Schulanfängern, und ich wünsche euch einen guten Start in den neuen Lebensabschnitt und viel Freude am Lernen. Denn ich erinnere mich noch ganz gut an meinen ersten Schultag. Der ist über 55 Jahre her. Und wie das bei jedem neuen Anfang so ist: Ich war nicht nur neugierig, sondern auch aufgeregt, stolz aber auch etwas ängstlich. Damals fragte ich mich: Wie wird wohl meine erste Klassenlehrerin sein? Finde ich neue Freunde? Werde ich das irgendwie auch schaffen, was es da alles zu lernen gibt? Gerade diese Unsicherheit begleitet mich bis heute: Werde ich das alles schaffen, was da Neues auf mich zukommt? Dabei hat die gesamte Schulzeit einen guten Grundstock gelegt, was meine Bildung angeht – ich kann es aus heutiger Perspektive nicht anders sagen, auch wenn ich zwischendurch überhaupt keinen Bock mehr auf Schule hatte.
Es stimmt: Bildung ist der Schlüssel für die eigene Entwicklung. Auch wenn man sich über die Schulfächer und die Art der Vermittlung vortrefflich streiten kann – und da muss ich an den einen oder anderen Lehrer in meiner Schullaufbahn denken. Immerhin: alle paar Jahre gibt es neue pädagogische Ansätze und Methoden, Zielsetzungen und Lehrpläne. Am Ende allerdings bleibt es dabei trotz aller Veränderungen und Lehrpläne: Man muss selbst lernen – ein Leben lang – Künstliche Intelligenz hin und Google her. Und Lernen strengt eben manchmal an und fordert. Dabei geht es in der Schule letztlich immer auch um mehr als nur darum: Wie lerne ich viel fachliches Wissen möglichst leicht und gut? Bildung ist viel umfassender. Das wusste schon der große Philosoph und evangelische Theologe des 17. Jahrhunderts, Johannes Amos Comenius. Er gilt als der Begründer der modernen Pädagogik und Didaktik. Nach ihm sind heute noch zahlreiche Schulen benannt.
In seinem großen Lehrbuch, der „Didactica magna“ von 1657 hat Comenius bereits den sehr modernen Bildungsanspruch aufgestellt: „allen alles gründlich zu lehren“ (omnes omnia omnino excoli) und meinte damit wirklich eine umfassende Allgemeinbildung mit Verstand, Herz und allen Sinnen, und zwar für alle. So trat er ein für die Erziehung von Mädchen und Jungen aller gesellschaftlichen Schichten. Bis heute ist das noch nicht überall auf der Welt selbstverständlich, und Mädchen und Jungen haben eben nicht in allen Ländern die gleichen Chancen, zur Schule zu gehen. Für Comenius waren Schulen „Produktionsstätten der Menschlichkeit, sofern sie bewirken, dass aus Menschen wirklich Menschen werden“, wie es in seinem Lehrbuch heißt. Schulen sollten das ganzheitliche Ziel verfolgen, „Menschen auszubilden, die an Geist weise, in ihren Handlungen geschickt und von Herzen fromm sind.“ Dass Comenius gerade auch die Frömmigkeit betont, hängt wohl mit seiner Liebe zur Weisheit zusammen, die letztlich auf Bildung beruht. Er sagt nämlich an einer anderen Stelle: die Weisheit nicht zu lieben, bedeutet ein „Dummkopf“ zu sein. Und genau das wäre seiner Meinung nach „eine Beleidigung für den göttlichen Schöpfer, welcher will, dass wir sein Abbild werden.“[1]
Aus Duisburg grüßt Sie Pater Philipp Reichling
[1] Comenius, Über den rechten Umgang mit Büchern, den Hauptwerkzeugen der Bildung. 28. November 1650.