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Kirche in WDR 3 | 05.09.2025 | 07:50 Uhr
Ist die Wahrheit out?
Guten Morgen.
Sagen Sie mal - Ehrlichkeit. Ist die eigentlich out?
Klar, in der internationalen Politik ist mittlerweile die Lüge die neue Normalität geworden. Da werden Fakten verdreht, schwarz wird weiß genannt, oben unten, ganz egal mittlerweile. Es scheint fast so, als ob man eine Lüge nur oft genug wiederholen muss, damit sie irgendwann die Wahrheit wird. Dabei kann es offensichtlich gar nicht absurd genug zugehen.
Und im Geschäftsleben? Mir sagte einmal ein Bekannter, der einen Betrieb hat: „Du kannst im Geschäftsleben nicht ehrlich sein. Du kannst deinen Kunden unmöglich die ganze? Wahrheit sagen. Soll man denen sagen: „Ich ziehe jetzt ein anderes Projekt vor, der Auftraggeber hat noch mehr zu tun in Zukunft, der ist mir wichtiger als sie?“
Ich bin ja kein Geschäftsmann, ich kann das wohl nicht beurteilen. Aber Kunde bin ich schon. Und dass mein Bekannter in diesem Falle so ehrlich war, hat es für mich nicht leichter gemacht. Woher soll ich wissen, ob die Gründe wie Lieferengpass oder so stimmen – und Lieferengpässe gibt’s ja nun wirklich - oder ob ich nur auf die lange Bank geschoben werde, weil ein lukrativerer Kunde wartet. Wenn ich jetzt als Kunde vertröstet werde, denke ich oft: „Der lügt doch!“ Das Problem ist: Das Vertrauen ist weg.
Und Vertrauen, das wächst aufgrund von positiven Erfahrungen. Und schrumpft bei negativen. Und deshalb ist nach längerem Nachdenken meine Antwort an den Bekannten: „Ja, es wäre mir lieber, wenn Du sagst: `Ich muss den anderen Auftrag vorziehen.` Dann würde ich sagen: „Danke für die Ehrlichkeit, damit kann ich leben. Komm bitte zu schnell wie möglich wieder zu mir und zieh es dann durch. Wann wird das sein?“ Oder: „Danke für Deine Ehrlichkeit. Lass mich wissen, bis wann ich mit der Lieferung jetzt rechnen kann, und halte das ein.“ Ich glaube, mein Vertrauen würde da sehr wachsen.
Klar, auch bei mir klappt es nicht immer mit der Ehrlichkeit. Es ist manchmal auf den ersten Blick bequemer, das eine oder andere gerade zu biegen oder auch mal was wegzulassen. Das wird wohl jeder Mensch zugeben müssen.
Aber das grundsätzliche Prinzip, das will ich schon beibehalten. Ich will ehrlich sein, ich will Vertrauen nicht enttäuschen.
Es gibt ein geflügeltes Wort „der Ehrliche ist der Dumme“. Dahinter steckt die frustrierte Erkenntnis: Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, ehrlich zu sein. Und was hat es mir gebracht? Die Lügner haben das Geld.
Mag sein, dass manche mit vielen Lügen sehr gut durchkommen. Hier verweise ich wieder auf die internationale Politik. Aber ich sage auch: Ich will so nicht sein. Ich will, dass Menschen mir vertrauen können. Es ist schön, wenn Menschen einem vertrauen.
Vertrauen ist die Grundlage einer lebenswerten Beziehung, Familie, Gesellschaft. Glücklich der Mensch, der ehrlich ist, weil er Vertrauen wachsen lässt.
Nein, der Ehrliche ist nicht der Dumme. Der Ehrliche ist vielleicht nicht immer der Reichere, aber er ist der Glücklichere.
Und als Christ sage ich auch: Gott sieht das Herz an. Er weiß, ob ich lüge oder die Wahrheit sage. Und auch ihm gegenüber will ich bestehen können. Und darum bete ich mit alten Worten aus der Bibel: „Nimm ja nicht aus meinem Mund das Wort der Wahrheit.“ (Psalm 119,43)
Es grüßt Sie Pfarrer Klaus Künhaupt aus Essen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze