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Kirche in WDR 3 | 28.07.2025 | 07:50 Uhr
Der Patron des Hässlichen
„Du bist so hässlich, dass ich’s kaum ertragen kann, mich stört dein Lächeln und dein Gang …“ So singt Konstantin Wecker – 1976. Provokant, ironisch. Und ja: Ich finde das Lied ziemlich witzig.
Aber: Das Thema dahinter ist hochaktuell. Ästhetik. Vergleich. Schönheitsideale. Mir war das lange gar nicht so bewusst. Liegt vielleicht auch daran, dass ich jeden Tag dasselbe trage. Priester tragen Schwarz. Ich: beige Hose, weißes Hemd. Schlicht. Einfach. Ich fühl mich wohl. Aber seit ich an einer Schule arbeite, spielt das Äußere plötzlich wieder eine Rolle. Und zwar täglich. Nicht erst bei der Amelandfahrt der 8er. Auf der Ferienlager-Insel sorgte mein Kleidungsstil für Lacher – als zehn weiße Hemden und sieben beige Hosen gleichzeitig auf der Wäscheleine hingen. Aber auch sonst spielt das Äußere ne Rolle: Auf dem Schulhof, im Klassenzimmer – manchmal sogar im Lehrerzimmer. Wer hat die neueste Tasche? Die coolsten Sneaker? Wer beherrscht sein Make-Up? Wer eher nicht? Selbst an Fronleichnam höre ich jemanden auf dem Kirchplatz lästern: „Der Typ da hinten hat wohl seit 30 Jahren einen Nicht-Angriffspakt mit dem Thema Ästhetik.“
Und meine Kirche? Die setzt da noch einen drauf. Sie hat – zumindest im Volksglauben – einen Patron der Hässlichen: Den heiligen Drogo von Sebourg. Kein offizieller Titel, aber die Legende sagt: Er selbst soll ziemlich unansehnlich gewesen sein.
Nur: das heißt „hässlich“? Das ist doch immer relativ. Ob ich jemanden schön oder eben nicht schön finde, hängt stark davon ab, womit ich ihn vergleiche. Und was ich selbst zum Ideal erkläre – äußerlich oder innerlich.
Im Buch Jesaja heißt es über den Messias: „Er hatte keine Gestalt, die schön anzusehen war. Sein Anblick war keine Freude für uns. Er wurde von den Leuten verachtet und gemieden“ (Basisbibel Jes 53,2-3). Und jetzt stellen Sie sich mal vor: Die Christen haben diesen so beschriebenen Messias erkannt in Jesus! Also nix da mit: Michelangleo-Poster-Boy. „Sein Anblick war keine Freude“ – schreibt Jesaja.
Vielleicht ist das – gerade in Zeiten von Hochglanzbildern im Netz – ein wohltuender Gegenentwurf. Nicht alles muss perfekt sein. Gott selbst war kein Posterboy.
Und überhaupt: Gute Freunde sagen sich ja
manchmal auch derbe Sachen. So was wie: „Na, du Spinner!“ Nicht um zu verletzen
– sondern weil man sich kennt. Und eigentlich meint: Ich mag dich. Genau so,
wie du bist. Vielleicht kann man so auch mit Ästhetik
umgehen: liebevoll und ironisch. Einfach mal am 16. April einem Freund
gratulieren. Wenn er dann fragt: „Wieso?“ – dann sagen: „Heute ist Gedenktag
des Patrons der Hässlichen!“ Sorgt garantiert für Lacher.
Und wenn nicht, ist’s immerhin ein guter
Einstieg, um über Schönheit und ihre Maßstäbe nachzudenken.
Ich grüße Sie aus Münster.
Ihr Stephan Orth.