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Kirche in WDR 4 | 31.07.2025 | 08:55 Uhr
Nichts tun
Haben Sie beim Bahnfahren oder im Bus mal jemanden gesehen, der ohne Smartphone oder Laptop einfach nur schaut und beobachtet, was sich so tut in der Welt? Selten? Das liegt vielleicht daran, dass das, was man normalerweise so alles machen kann, heute so vielfältig ist wie nie: Allein mit Medien und Computern geht heut schon fast alles: Im Netz surfen, online shoppen, endlos Serien und Musik streamen, Videokonferenzen und Social Media. Möglichkeiten der Zerstreuung und Ablenkungen gibt es so viele, dass niemand mehr wirklich zur Ruhe kommt. Ich gestehe: Ich bin ganz schlecht im Zur-Ruhe-Kommen. Ich muss auch immer irgendwas machen, lesen, hören oder reden.
Aber dann kam diese Zeit, als ich auf einen Schlag zur Ruhe kommen musste. Das war nach meinem Schlaganfall. Da war das Zur-Ruhe-Kommen nicht nur ärztlich angeordnet, sondern überlebenswichtig. Und trotzdem: ich hätte die Wände hochlaufen können – dabei war ich ja froh, dass ich überhaupt noch gehen konnte... Ich war gezwungen, nichts zu tun, kein Auto fahren, keine Termine und Sitzungen und war auf mich selbst zurückgeworfen. Dass ich so vieles auf einmal ab sofort nicht mehr tun konnte, hat mich rasend gemacht, nicht ruhig.
Hat ganz schön gedauert, bis ich da bei mir selbst war. Bis ich mir nicht mehr selbst auf den Geist gegangen bin.
Meine Rettung war die Musik. Gut: Musik hören oder am Klavier spielen: das ist nicht Nichts-Tun. Aber: mir hat die Musik geholfen, ruhig zu werden. Ich musste so viel loslassen – aber die Musik war mir geblieben. Und ich habe sie noch mal neu entdeckt, als meine Lehrmeisterin und Begleiterin im Nichts-Tun. Und irgendwann habe ich das sogar genießen können.
Ihnen ist hoffentlich ein Schlaganfall oder ähnliches bislang erspart geblieben. Aber vor fünf Jahren haben wir ja irgendwie alle ähnliches erfahren: Seit der Coronapandemie ist uns klar, was passiert, wenn Möglichkeiten einfach gestrichen werden und die Auswahl immer kleiner wird.
Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt über sich selbst?