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Hörmal | 24.08.2025 | 07:45 Uhr
Michelangelo und der Hl. Bartholomäus
Auf den ersten Blick scheinen der Heilige Bartholomäus, dessen kirchlicher Gedenktag heute ist, und der Künstler Michelangelo nichts miteinander zu tun zu haben. Immerhin trennen beide etwa 1500 Jahre voneinander. Und doch gibt es da etwas, was beide miteinander verbindet. Und das kann man sehen in der Sixtinischen Kapelle in Rom. Die Kapelle habe ich selbst schon mehrmals besichtigt. Bekannt ist sie vor allem deswegen, weil hier seit Jahrhunderten die Kardinäle den Papst wählen – wie vor gut hundert Tagen Papst Leo XIV. Damals waren ja die Kameras auf das wohl prominenteste Wahllokal der Welt gerichtet – vor allem auf den Schornstein mit dem schwarzen und schließlich weißen Rauch. Drinnen aber, in der Kapelle, beeindrucken die riesigen Decken- und Wandgemälde, von denen die meisten Michelangelo gemalt hat. Er zählt zu den bedeutendsten Renaissancekünstlern in der Kunstgeschichte und war eigentlich Bildhauer. Das Bild Michelangelos, das am meisten den Raum beherrscht, ist die Wiederkunft Christi zum Jüngsten Gericht. Genau davor geben übrigens die Kardinäle ihre Stimme bei der Papstwahl ab, quasi unter den Augen Gottes. Und vielleicht ist ihnen bewusst, dass Sie am Ende der Zeiten Rechenschaft ablegen müssen für ihr Tun?
In diesem Wandgemälde Michelangelos gibt es ganz viele Personen, aber eine sticht besonders hervor. Das ist der Heilige Bartholomäus, einer der 12 Apostel, der sozusagen das ganze Geschehen beim Jüngsten Gericht bezeugt und damit auch auf die Papstwahl schaut. Bartholomäus ist dabei ganz typisch dargestellt: Er trägt nämlich seine Haut über dem Arm. Die hatte man ihm vom Leib abgezogen, weil er an seinem Glauben an Jesus festgehalten hatte, so die Überlieferung. Ich will mir gar nicht vorstellen, was das für eine schmerzhafte Tortur war.
Und Michelangelo? Der hat nun die Haut des Bartholomäus so gemalt, dass er sich in dem Gesicht selbst dargestellt hat und sich so mit dem gehäuteten, geschundenen Bartholomäus identifiziert. Offenbar war die Arbeit an dem Gemälde sehr anstrengend. Immerhin arbeitete Michelangelo mehrere Jahre daran und tat das sehr wahrscheinlich sogar ganz alleine – und das mit über 60 Jahren. Das Malen muss ihm wie eine Tortur vorgekommen sein. Und das zeigte er dann eben in der abgezogenen Haut des Bartholomäus mit seinem Porträt. Wie anstrengend die Malerei für ihn war, hat Michelangelo übrigens schon 20 Jahre vorher ausgedrückt, und zwar als er die Decke der Sixtinischen Kapelle gestaltete: Auf hohem Gerüst malte er mit dem Pinsel über dem Kopf, so dass ihm die Farbe ins Gesicht tropfte. Zudem musste er seinen Körper beim Malen verbiegen. Und das bereitete ihm Schmerzen und Mühsal. Jedenfalls schreibt er das in einem Gedicht und zweifelt darin an sich selbst: Er sei ja eigentlich kein Maler.
Wie dem auch sei. Bis heute wird Michelangelo jedenfalls zu Recht als großer Künstler bewundert. Allerdings finde ich bemerkenswert, dass er sich gerade mit einem Heiligen identifiziert. Denn ich frage mich: Tut er das nur, um zu zeigen, wie sich beide geopfert haben und viel Mühsal ertragen haben, oder klingt da nicht auch noch etwas Anderes mit? Denn immerhin: Michelangelo schlüpft in seiner Darstellung vom Jüngsten Gericht eben in die Haut eines Heiligen, der schon bei Gott ist. Und das ist schon ein ziemlich gewagter Vorgriff auf das, was vielleicht am Ende der Zeiten noch kommt. Wer weiß?!