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Kirche in WDR 3 | 10.10.2025 | 07:50 Uhr
Elija und die seelische Gesundheit
Der Prophet Elija und ich haben was gemeinsam. Nun: Ich habe keine 450 Baalspriester abgeschlachtet, wie die Bibel über diesen Propheten berichtet. Aber: wir beide kennen Depressionen. Richtig gehört: Auch die Bibel kennt Schwermut. Kennt Menschen, die des Lebens müde sind. Keiner steht dafür so sehr wie dieser Feuerkopf, der zu den größten Propheten des Alten Testaments gehört…aber sicher auch zu den Ambivalentesten. Und zugleich streitet er für den Gott Israels wie kein anderer. Und das trägt er schon in seinem Namen. Elija bedeutet nämlich: „Mein Gott ist JAHWE“. Wobei Juden den Gottesnamen „J-H-W-H“ ja eigentlich nicht aussprechen. Aber in einer Szene, die die Bibel eindrücklich beschreibt, schleudert Elija seinem Gott dessen Namen direkt um die Ohren: Es ist die Szene, wo Elja in der Wüste, unterm Ginsterstrauch hockt. Da hat er grad die Baalspriester töten lassen. Als mächtigen Gottesbeweis. Aber danach? Elija klappt mental zusammen und schreit „Genug ist es, JAHWE. Nimm mein Leben. Ich bin ja nicht besser als meine Väter!“
Tja – wenn das mal nicht lebensmüde ist. Nichts geht mehr.
Und es hat lange gebraucht, dass ich mir selbst eingestanden habe, dass auch ich diese Momente kenne. Dass ich mental so sehr aus dem Gleichgewicht bin, dass nichts mehr geht. Und ich erzähle heute davon, weil heute der Tag der seelischen Gesundheit ist. Der Tag, der weltweit dafür sensibilisieren soll, dass Menschen psychische Leiden haben. Menschen, denen wir vielleicht gar nicht zutrauen, dass sie in solche Abgründe schauen. Und dieser Tag soll daran erinnern: Hilfe ist möglich.
Schon früh hat mir es Elija angetan, weil ich auf ihn wie in einen Spiegel schauen kann. Gut: Ich habe keinen Ginsterstrauch und ich lebe nicht in der Wüste. Ich lebe in Köln. Und seit bald vier Jahren sitze ich dort regelmäßig unter einer Platane, an einem kleinen Kanal auf meiner „Nach-Therapie-Bank“, wie ich sie nenne. Es hat ziemlich lange gebraucht, bis ich in meinem Leben die Hilfe durch eine Therapie angenommen habe. Aber: Mir hat das geholfen. Ich kann meine Seelenregungen besser ins Wort bringen. Mein Therapeut hilft beim Sortieren. Und meist merke ich erst in diesem Moment nach der Therapie, wenn ich auf der Bank sitze, unter der Platane, bei dem Kanal, dass sich was gelöst hat. Das hilft mir ungemein. Und da bin ich noch mal bei Elija. Der erfährt auf verschiedene Weise Hilfe. Z.B. durch eine Witwe, die ihm ihr letztes Brot gibt. Und dann erfährt er die vielleicht wichtigste Lektion in seiner Gottesbegegnung, in einer Höhle am Berg Horeb. Das erfahren ja nicht viele Propheten in der Bibel. Elija ist das vergönnt. Er erlebt Gott dabei nicht im Brausen des Sturms, im Donner des Gewitters, sondern in einem sanften Säuseln, „verschwebenden Schweigens“, wie es treffend in einer Übersetzung heißt.
Diese wohltuenden Momente „verschwebenden Schweigens“, die wünsche ich auch Ihnen, ob Ihre Seele schwer trägt oder nicht. Jeder kann sie gebrauchen, diese Momente, wenn das Schwere leicht wird und das Leben lebenswert.
Hören wir uns am übernächsten Freitag wieder? Würde mich freuen. Lebensfroh aus Köln grüßt Sie, Klaus Nelißen