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Kirche in WDR 2 | 16.10.2025 | 05:55 Uhr
Caroline Wahl – 22 Bahnen
Ich kann es nicht verstehen, das Gezeter um Caroline Wahl. Ihr Erstlingswerk 22 Bahnen ist in aller Munde. Vielleicht kennst Du es ja auch.
Ich habe den Roman verschlungen. Und bin wirklich keine Leseratte. Doch die Geschichte von Tilda und Ida berührt mich tief.
Sie leben mit ihrer alkoholkranken Mutter zusammen und sind komplett auf sich gestellt. Tilda studiert Mathe und jobbt als Kassiererin. Ihre jüngere Schwester Ida geht in die 4. Klasse, später auf`s Gymnasium.
Es ist die Geschichte von zwei Töchtern und ihrer trinkenden. Die vegetiert den ganzen Tag auf dem Sofa und flippt aus, wenn nicht genug Alkohol im Haus ist. Es ist die Geschichte einer Mutter, die nie einkauft, sehr selten kocht, nie fragt, wie es ihren Kindern geht. Und wenn doch, dann ist sie betrunken. Natürlich will sie zwischendrin aufhören, zu trinken. Macht einen Entzug, sucht sich einen Job, wird rückfällig und das Spiel beginnt von vorne.
Was das Buch für mich so besonders macht? Es ist die Geschichte von Überlebenden. Die Töchter entwickeln Strategien, um zu überleben. Wenn sie es zu Hause nicht aushalten, - weil die Mutter wieder zu ist - hacke zu, Besuch von ihrem alkoholisierten Liebhaber hat, dann rennen sie in den Wald. Auf diese Lichtung. Oder sie gehen schwimmen. - 22 Bahnen – damit der Kopf wieder frei wird.
Die Töchter kümmern sich rührend um die Mutter. Und: Sie fühlen sich schuldig, weil die Mutter sich zu Tode säuft. Können sie es verhindern? Hätten sie es verhindern können? Was wäre gewesen, wenn Tilda nicht nach Berlin gezogen wäre. Wenn Ida mit ihrer Freundin an dem Wochenende nicht weggefahren wäre, als die Mutter sich suizidier. Eine Überdosis Tabletten einwirft.
Überleben – wie geht das? Welche Strategie hilft? Das Rennen in den Wald – das Schwimmen – das Malen – das Rechnen. Ja, all das. Und natürlich die Liebe. Aber mehr will ich nicht verraten.
Für mich ist das Buch 22 Bahnen im besten Sinne seelsorgerlich. Seelen, die sich um sich selbst und andere kümmern aller Verzweiflung zum Trotz. Und für alle, die mit Alkoholkranken Menschen zusammenleben, noch ein Satz: Es gibt für Euch Hilfsangebote und Selbsthilfegruppen - bei der Diakonie, der Caritas, den Anonymen Alkoholikern. Sich Hilfe zu holen, kann helfen.