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Kirche in WDR 2 | 04.08.2025 | 05:55 Uhr
Manchmal ist Gott auch nur ein Mensch
Seine Allwissenheit hat Gott schon häufig vermisst, wenn er auf die Erde gekommen ist. Aber heute bemerkt er ihr Fehlen besonders schmerzhaft. Wobei die Schmerzen eigentlich von seinen Bandscheiben herkommen. Aber die tun ihm ja nur deshalb weh, weil Gott seine Allwissenheit an der Garderobe abgegeben hat, bevor er in die Erdatmosphäre eingetreten ist. Dort wird sie nun aufbewahrt, bis Gott von seinem Ausflug zurückkommt.
Bevor Sie sich jetzt wundern: Ja, Gott besucht nach wie vor die Erde. Aber er hat sich vor einiger Zeit eine neue Strategie überlegt: Unauffälliger kommen, aber dafür häufiger. Mal hier, mal da auftauchen, und so versuchen, den Lauf der Dinge positiv zu beeinflussen. Und zwar ganz unmittelbar und nicht bloß vom Himmel aus. Hier ein guter Hinweis, da eine helfende Hand, dort eine kleine Aufmunterung oder eine Bewahrung alter Schule - so was kann auch heute noch Wunder wirken.
Hinzu kommt, dass Gott der persönliche Umgang mit den Menschen einfach wichtig ist. Und weil sie immer weniger von ihm wissen wollen, muss er sich eben umso mehr ins Zeug legen. „Sonst reißt der Kontakt noch ganz ab“, sagt Gott in diesem Zusammenhang häufig.
Dafür ist es natürlich wichtig, die Dinge kennenzulernen, die Menschen so machen. Auch wenn sie ungewöhnlich sind. Und so hat sich Gott diesmal vorgenommen, mit einer Harley Davidson durch die Gegend zu brettern. Einfach, um mal zu wissen, wie sich das anfühlt. Und warum manche Menschen das so toll finden.
Die Harley ist schnell besorgt, das entsprechende Outfit ebenfalls. Und nun sitzt Gott auf der Maschine und findet die Sonnenbrille eher hinderlich als cool. Aber die gehört ja wohl dazu. Also kann’s jetzt losgehen und als Gott hochschaltet und die Harley Fahrt aufnimmt, da kommt seine gute Laune ebenfalls auf Touren. Es klappt auch alles ganz wunderbar, bis Gott diesen einen Fehler macht: Er biegt in eine Straße ein mit äußerst grobem Kopfsteinpflaster. Hätte er seine Allwissenheit behalten, wäre ihm das nicht passiert. Aber es sollte ja unbedingt alles authentisch sein!
Und so rappelt und ruckelt Gott nun über das Pflaster und bereut schon seit 300 Metern, dass er sich für seinen Erdentrip diesmal den Körper eines Endsechzigers ausgesucht hat. Denn dieser Körper zeigt ihm nun ganz authentisch, welche Bandscheiben besonders empfindlich auf Stoßen und Rütteln reagieren. Während Gott deshalb die Harley an den Straßenrand lenkt und absteigt, denkt er: „Das nächste Mal komm‘ ich wieder als Kind zur Welt!“ Aber gut, die Hauptsache ist, dass der Kontakt nicht abreißt. Und jetzt wissen Sie: An mangelndem Einsatz von Gott scheitert es jedenfalls nicht.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius