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Kirche in WDR 2 | 25.11.2025 | 05:55 Uhr
Schreib mir, wenn du zuhause bist
Eigentlich war Sarah Everard nur auf dem Weg von einer Freundin nach Hause. Doch sie kam nie an. Die junge Britin wurde entführt und ermordet – von einem Polizisten. Die Nachricht ging vor vier Jahren um die Welt. Dazu postete Lucy Mountain den Satz: „Text me when you get home“ – „Schreib mir, wenn du zu Hause bist.“
Ein Satz, so alltäglich, so harmlos und doch Ausdruck einer tiefen Angst. Viele Frauen kennen sie: diese kleinen Routinen, die Sicherheit geben sollen. Den Schlüssel zwischen die Finger klemmen. Das Handy in der Hand halten. Den Standort teilen. Die Musik ausmachen, um Schritte hinter sich zu hören. Der Satz „Schreib mir, wenn du zu Hause bist“ ist keine nette Geste. Der Satz ist eine Vorsichtsmaßnahme gegen eine Bedrohung, die fast immer von Männern ausgeht.
Es ist bitter, dass es solche Rituale braucht. Noch bitterer, dass sie selbstverständlich geworden sind. Es ist nicht die Aufgabe von Frauen, sich anzupassen, damit die Welt sicherer wird. Es ist die Aufgabe von uns allen – vor allem von Männern –, eine Welt zu schaffen, in der solche Vorsicht nicht nötig ist. Manche Männer fragen sich: Was kann ich tun, damit sich andere sicherer fühlen? Vielleicht heißt das: nachts die Straßenseite wechseln. Abstand halten. Keine schnellen Schritte hinter jemandem machen. Oder: etwas sagen, wenn ein Freund herablassend über Frauen spricht. Die eigenen Worte, Witze und Haltungen prüfen. Sich informieren, politisch engagieren – und nicht wegschauen. Denn Gewalt gegen Frauen ist real. Sie hat mit Macht zu tun – mit patriarchalen Strukturen, die bis heute wirken. Und sie ist kein „Frauenproblem“. Sie gefährdet unsere Demokratie. Sie ist ein Männerthema. Denn Männer sind Teil der Lösung – als Freunde, Kollegen, Väter, Söhne. Als die, die andere Männer ansprechen, wenn Respekt fehlt. Als die, die sich trauen, anders zu sein.
Im Buch des Propheten Micha heißt es: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist: nichts anderes will Gott* von dir, als Recht tun, Güte lieben und demütig mitgehen mit deinem Gott*.“ (1)
Recht tun. Güte lieben. Mitgehen. Das kann heute – am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen – heißen: Sich bewusst für Frauenrechte einsetzen. Nicht nur auf die eigene Sicherheit achten, sondern auf die der anderen. So dass eines Tages keine Frau mehr posten muss: „Schreib mir, wenn du zu Hause bist.“
Quellen:
(1) Die Bibel, Micha 6,8
https://www.instagram.com/p/CMR7GmRlO4L/?hl=de
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/300890/internationaler-tag-zur-beseitigung-von-gewalt-gegen-frauen/
https://de.statista.com/themen/6635/gewalt-gegen-frauen/
Letzter Aufruf 27.10.2025
Redaktion: Landespfarrerin Julia-Rebecca Riedel
