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Kirche in WDR 2 | 21.11.2025 | 05:55 Uhr
Ich finde ein Portemonnaie
Ich finde auf der Straße ein Portemonnaie. Was mache ich dann? Und was machen dann die meisten Menschen. Einstecken und sich über die unerwartete Einnahme freuen? Diese Frage wurde weltweit bei 17.000 Menschen untersucht. In allen Kulturen und Sprachen, bei Reichen und Armen. Das Ergebnis: Wenn die Geldbörse leer ist, geben sie nur 40 Prozent der Menschen weiter, an die Polizei oder ans Fundbüro, falls es so etwas überhaupt gibt. Wenn zwölf Euro drin sind, gibt schon über die Hälfte der Finderinnen und Finder das Geld mit der Börse weiter. Wenn achtzig Euro oder der jeweilige Wert davon in der Landeswährung im Portemonnaie sind, geben es 71 Prozent, also über zwei Drittel sogleich weiter.
Jede und jeder erinnert sich wohl an eine der Nachrichten dieser Art: ein Geflüchteter, der sich um Asyl bei uns in Deutschland bemüht, findet auf dem Bahnsteig einen Rucksack mit zwanzigtausend Euro. Was tut er? Er bringt das Fundstück sogleich zur Bahnpolizei. Hoffentlich erhält er einen schönen Finderlohn.
Warum wächst mit der Höhe der gefundenen Summe die Bereitschaft, das gefundene Geld nicht zu behalten, sondern dem zurückzugeben, der es verloren hat? Weil wir Menschen im Grunde gut sind, wie es der holländische Philosoph Rutger Bregman in seinem Buchtitel auf den Punkt bringt. Zu unserer genetischen Ausstattung gehört ja, dass wir uns in die anderen Menschen hineinversetzen können. Wir können in ihren Mocassins gehen, heißt ja ein Sprichwort der indigenen Kultur. Also denken wir zu Recht: Wenn nur fünf Euro in der Geldbörse sind und kein Fundbüro um die Ecke - was soll der Aufwand. Ich würde dann die Börse so hochlegen, dass man sie gut sehen kann. So mache ich es auch mit dem einzelnen verlorenen Kinderhandschuh auf dem Spielplatz. Wenn schon achtzig Euro im Portemonnaie sind, denke ich: das könnte auch das letzte Einkaufsgeld einer alleinerziehenden Mutter sein. Also gib Dir Mühe, sie zu finden. Vielleicht ein Aushang auf dem Schwarzen Brett des Supermarktes! Bei zwanzigtausend Euro denkt wohl jede und jeder: Da kann eine Existenz dran hängen! Früher, als man das noch mit Bargeld durfte, hätte ich gedacht: Da will sich wohl jemand ein Auto kaufen.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist doch schön, dass die meisten Menschen auf der Welt so handeln. Wir sind ja im Grunde gut!
