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Sonntagskirche | 09.11.2025 | 08:55 Uhr
Nicht dem Schicksal ergeben
Heute ist ja der 9. November. Und das ist ja ein wichtiger Gedenktag für uns Deutsche. Oft wird er „Schicksalstag Deutschlands“ genannt. Warum? Weil an diesem Tag mehrere, vor allem einschneidende, Ereignisse in unserem Land stattfanden. Die Ausrufung der ersten deutschen Republik 1918, die Reichspogromnacht 1938 und am Ende auch der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989. Beim Mauerfall, da war ich neun Jahre alt und damit ungefähr so alt, wie meine Kinder heute sind. Und heute? Da kennen sie diese Momente nur aus den Erzählungen und den Geschichtsbüchern, vielleicht aus youtube-Videos. So geht es mir auch, wenn ich an den 9. November 1938 denke. Den kenne ich aus den Erzählungen meiner Großeltern und meiner Ur-Oma… und natürlich: aus den Geschichtsbüchern – und aus TV-Dokus. Und so ging es dann am Ende ja auch meinen Großeltern: Aus Erzählungen, so sagten Sie damals, kannten sie von ihren Eltern all die Dinge, die 1918 passierten. Und…. Genau! Aus den Geschichtsbüchern. Fernsehen gab es damals noch nicht. Wobei: im Netz finden Sie sogar alte Filmaufnamen. Wie das alles zusammenhängt und das Geschichte sich in Geschichten und Ereignissen schreibt, dass wird mir an so einem Tag wie heute deutlich. Und heute? Das was meine Kinder quasi live erleben dürfen, nein wahrscheinlich eher müssen, ist eine Zeit, in der der Krieg spürbar wieder vor die Haustüre gekommen ist. Die Konflikte sind unüberschaubar und oft komplex. Probleme und Herausforderungen, wo man nur hinsieht. Und dann noch: der spürbare Rechtsdruck in Teilen unserer Gesellschaft. Beängstigend! Das merken auch die Kinder… Wir Erwachsenen aber auch. Und uns macht es Angst.
Vor einigen Wochen war diese
Großwetterlage Thema im Familienrat. Unsere Älteste fragt: „Warum gibt es
eigentlich Leute auf unserem Schulhof, die fremde Menschen nicht mögen?“ – das
kam recht unvermittelt und hatte gesessen. Zum ersten Mal hat also eines
unserer Kinder davon erzählt, dass es ganz hautnah mit Gedanken konfrontiert
wurde, die aus Kindermund abbilden, was Teile unserer Gesellschaft meinen. Auf
einmal schleichen sich Worte wie „links“, „grün“ und „versifft“ in den
Wortschatz der Kinder. In den Kopf wandern die massiven Vorbehalte gegenüber
dem vermeintlich „Fremden“.
Der aggressive
Ton noch dazu. Im Familienrat waren wir erschrocken:
Die Kinder und die Erwachsenen. Was sagen wir den Kindern? Wie
machen wir sie stark für eine eigene Haltung gegen Hass, Ausgrenzung,
Feindlichkeit und Intoleranz? Wie bekommen wir es hin, dass sie trotzdem in
dieser Welt leben und bestehen können? Auch mit den Menschen die so anders
ticken?
Da kommt der 9. November gerade recht.
Beim Mauerfall 1989 saß ich gebannt vor dem Fernseher. Heute, am 9. November 2025 werde ich mir diese Zeit auch nehmen. Zeit zur Erinnerung. Zeit, Stellung zu beziehen. Und davon zu erzählen, was passiert ist und warum unsere Freiheit über allem steht. Nicht nur am 9. November, sondern immer und für jede und jeden. Egal wer man ist, wen man liebt, was man glaubt.
