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Kirche in WDR 5 | 22.11.2025 | 07:55 Uhr
Die Währung Gottes
Am Morgen, wenn der Tag noch nicht entschieden ist, da schießen einem manchmal merkwürdige Dinge durch den Kopf — ein Gedanke oder das Gefühl: Die Welt läuft —, und ich laufe so mit. Mit meinen Leistungen ist man zufrieden. Aber wo bleibe ich? Manchmal meldet sich da ein Widerstand: Muss das eigentlich alles so weiterlaufen?
Mir ist ein solcher Widerstand in dem biblischen Satz begegnet: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“ (Mk 12,17; Mt 22,21; Lk 20,25). Raffiniert antwortet Jesus auf eine Falle, die man ihm stellen will. Für fromme Juden im alten Palästina war das nicht so ohne weiteres klar, dem römischen Kaiser Steuern zu zahlen — an eine Macht, die ihr Land besetzt hielt. Damals wie heute steckt in der Antwort Jesu eine kluge Unterscheidung von Zuständigkeiten: Wem gehört was? Was gehört wohin? Mir ist dabei etwas Entscheidendes aufgegangen.
„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört“: Den Machthabern, den weltlichen Autoritäten sind wir ein gewisses Maß an Achtung und Zuwendung schuldig. Vor allem finanziell. Was sie für uns tun, das sollen wir ihnen in klingender Münze zurückzahlen — in Form von Steuern zum Beispiel. Diese Wirklichkeit des öffentlichen Lebens, seine Strukturen, Pflichten, aber auch seine Grenzen gilt es anzuerkennen.
Ich kenne Menschen, die identifizieren sich geradezu mit dieser äußeren Seite des Lebens, mit ihrem Ordnungs- und Pflichtenkanon. Die gehen darin förmlich auf. Und merken gar nicht, dass so ein wichtiger Teil von ihnen selbst auf der Strecke bleibt. Kein Verdienst und keine Ehre können solche Selbstverluste ausgleichen. Wo ist die Instanz, die hier steuern oder auch gegensteuern könnte?
„Gebt Gott, was Gott gehört“ will sagen: Gebt acht auf das, was nicht direkt sichtbar und doch da ist und zu euch gehört. Im Verborgenen, im Schatten eurer Leistungen und Erfolge. Gott funktioniert nicht nach öffentlicher Leistung und Gegenleistung, nach Wert und Gegenwert. Wo Gott draufsteht, das gehört weder Kaiser, noch Kanzler und auch nicht den Stars und Sternchen, die wir sonst so anbeten und vielleicht gerne sein würden.
Gott ist hier Symbol für meine eigene, ur-eigene Wahrheit, für das, was keiner kennt von mir und was gerade deshalb wertvoll ist: meine verborgenen Talente, meine Träume, die ich mir selbst kaum zutraue oder erlaube. Ein Teil meines Lebens, den ich vielleicht verdrängt habe oder verdrängen musste. All dieses Unbewusste und Ungelebte darf zum Vorschein und zur Geltung kommen. Das ist die Währung Gottes: »Du bist unverwechselbar und einmalig. Deine Würde ist mit Geld nicht aufzuwiegen.«
Bei Gott müssen wir nichts einzahlen, um Gewinn zu machen. Gott geben, was Gott gehört, kann jeder nur mit seinem Leben selbst. Nicht mit halber Münze, sondern als der Mensch, der er oder sie ganz und gar ist.
Diesen Mut, aufs Ganze zu gehen, den wünsche ich uns. Es liegt schon etwas Göttliches auf diesem Tag, bevor er recht begonnen hat.
Ludger Verst aus Köln
