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Hörmal | 28.12.2025 | 07:45 Uhr
Den Glauben abgucken
Es ist kalt in seiner Zelle im Berliner Gefängnis. Draußen tobt der Krieg. Der Lärm dringt durch die dicken Mauern. Metalltüren fallen schwer ins Schloss. Dietrich Bonhoeffer ist hier zwischen 1944 und 1945 wegen „Landes- und Hochverrat” eingesperrt. Er ist Teil des politischen Widerstandes gegen Adolf Hitler und nachdem die Pläne zum Umsturz gescheitert sind, ist er nun sein persönlicher Gefangener. Bonhoeffer ahnt, dass er bald sterben muss.
In seinen Briefen schreibt er, wie es ihm geht. Er hadert mit seinem Schicksal, aber sein Glaube trägt ihn durch diese dunkle Zeit. Dietrich Bonhoeffer ist mit den Geschichten der Bibel aufgewachsen. Er hat sie studiert und anderen davon erzählt. Und hat erlebt: Das Vertrauen auf Gott stärkt die Widerstandskräfte in schwierigen Zeiten.
Besonders hat das Bonhoeffer in New York erlebt. In der schwarzen Gemeinde im Stadtteil Harlem. 1930 geht er erstmals dort hin. Sein Schwarzer Freund Frank Fischer, mit dem er am theologischen Seminar studiert nimmt ihn mit. Mit ihm erlebt Bonhoeffer als 24-jähriger wie Schwarze Menschen im Alltag unter Rassismus, Gewalt und Ausgrenzung leiden. Mit ihm hatte er auch erlebt, wie sie sonntags in der Kirche aus den biblischen Geschichten Kraft und Selbstbewusstsein für ihr Leben ziehen. Selbstbewusstsein, das sie brauchen, um der Diskriminierung und der Gewalt zu widerstehen – um Haltung zu bewahren.
Im Winter 1944 - 14 Jahre später, ist es Bonhoeffer selbst, der in Gefangenschaft Unerträgliches erleiden muss. Nun ist er es, der aus den Geschichten der Bibel seine letzte Kraft zieht. Sie halten ihn aufrecht und geben ihm Hoffnung, über den Tag hinaus.
1944, vor Weihnachten, schreibt er für seine Verlobte ein Gedicht, das seitdem selbst viele Menschen tröstet:
„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit Euch leben und mit Euch gehen in ein neues Jahr.“
Haben Sie auch die Melodie im Ohr? Ich habe das Lied oft gesungen. Meistens in schweren Momenten auf dem Friedhof, in Zeiten, in denen ich mir nicht sicher war, ob der Boden unter meinen Füßen mich trägt. Was mir hilft: Das Wissen darum, dass ich mir den Glauben und die Hoffnung abgucken kann, dass ich mich auf die Glaubenserfahrungen von anderen stützen kann, dass ich ihre Worte nachsprechen kann, bis sie meine werden: „Gott ist bei uns, am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Quellen: Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 608.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
