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Kirche in WDR 4 | 29.10.2025 | 08:55 Uhr
Gott ganz nah sein
Guten Morgen,
mit offenem Mund stehe ich im Eingang der Kirche Notre Dame von Royan im Südwesten von Frankreich. Überwältigt von dem gigantischen Kirchraum, der sich vor mir auftut. Der Eingang ist oben. Von hier führen Stufen weit hinunter ins Kirchenschiff. Um mich herum bunte Fenster in blau und rot. Viele Dreiecke sind in den Fenstern und überall in der Kirche zu sehen. Das Dreieck erinnert an den dreieinen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Unten angekommen müsste ich mir eigentlich winzig vorkommen. Aber das ist nicht der Fall. Ich fühle mich gar nicht klein. Stattdessen umhüllt und geborgen von der Allmacht und Erhabenheit Gottes. Was für ein wunderbarer Ort, um Gott ganz nah zu sein. Um Gott nah bei mir zu spüren. Ich glaube, Gott nah bei sich zu haben, das wollten auch die Paare, die sich im Mai in der Friedenskirche in Krefeld oben im Turmzimmer vor dem großen runden Kirchenfenster haben trauen lassen. Dieses imposante Fenster hat die Form einer Blume, deshalb wird es Rosettenfenster genannt. Die Paare sind Teil eines Hochzeitsevents, das unser Kirchenkreis im Frühjahr veranstaltet hat. Hier kann man sich spontan trauen lassen. Dazu haben wir verschiedene Orte in der Kirche vorbereitet und die Paare können sich nun einen aussuchen. Das Rosettenzimmer ist mit Abstand der Renner. Und so stolpern wir Pfarrers gerne immer wieder mit zusammengefasstem Talar die Stufen hinauf, vorbei an dem Uhrwerk der Turmuhr und den Glockenseilen. Wir werden belohnt, alle miteinander, jedes Mal, mit dem Blick durch die Rosette in den Baum vor der Kirche und in den Himmel, Richtung Gott. Andere suchen Gott nicht in der Kirche, sondern fühlen sich ihm eher in der Natur nahe. Eine wunderbare Trauung erlebe ich auf einer Wiese neben einer hübschen Kapelle. Und eine Bekannte erzählt von ihrer Trauung am Ufer des Gardasees in Italien. Vor vielen Jahren habe ich einen Berggottesdienst in Bayern feiern dürfen. Ich wundere mich nicht, dass sich hier immer viele Menschen einfinden, wo manche Kirche im Tal sonntags leer bleibt. Allein der Blick auf die umliegenden Berge, auf den weiten Himmel und hinunter ins Tal erzählt von der Größe und Erhabenheit Gottes. Und das tut gut. Mich bei all den Herausforderungen der Welt oder in meinem persönlichen Leben umfassen zu lassen von der Liebe und Gnade und Größe Gottes. Zu spüren, ich bin nicht allein gelassen in dieser Welt mit ihren drohenden Kriegen, der gefährdeten Demokratie, der schwächelnden Wirtschaft und mit meinen persönlichen Problemen. Ich kann mich hineinbegeben in die Allmacht Gottes. Meine Seele aufatmen lassen. Auftanken. Und dann wieder gestärkt und getröstet zurückkehren in den Alltag und daran mitwirken, dass die Welt ein bisschen besser wird.
Quellen:
Gott auf dem Gipfel, in: Christ und
Welt, DIE ZEIT Nr. 28, 3.7.25, S. 17;
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
