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Kirche in WDR 5 | 21.11.2025 | 06:55 Uhr
50 Jahre „Unsere Hoffnung“
Ich habe ja lange überlegt, ob ich Sie heute Morgen hiermit behelligen soll: Immerhin geht es um einen theologischen Text. Harte Kost am frühen Morgen – und vielleicht auch noch auf nüchternem Magen? Und: gibt es grad nicht Drängenderes, als den Geburtstag eines katholischen Synodendokumentes zu feiern?
Aber: Dieser Text - so finde ich – gehört zu den schönsten theologischen Texten unserer Zeit. Er hat so eine sprachliche Raffinesse und theologische Redlichkeit, dass ich nicht anders kann, als ihm hier und jetzt zum 50sten zu gratulieren. Und sein Titel verrät, dass er noch immer in unsere Zeit heute passt, mit all ihren Abgründen: „Unsere Hoffnung“ heißt der Text. Und am 21. November 1975 wurde er beschlossen von der sogenannten „Würzburger Synode“. Diese Zusammenkunft der deutschen Kirche nach dem 2. Vatikanischen Konzil war so sehr ihrer Zeit voraus, dass eigentlich fast alle Synodentexte von Rom aus wieder kassiert wurden. Das war damals ein ziemlich harter Schlag für die deutschen Katholiken[1]. Was von der Synode in Würzburg aber geblieben ist, ist dieser eine Grundlagentext. „Unsere Hoffnung“.
Klar: es ist eine theologische Abhandlung. Aber: Manche Formulierungen davon sind so schön wie ein Fenster im Kölner Dom; klingen nach und rütteln auf, wie eine Akkordfolge von Beethoven. Sie merken: Ich schwärme für „Unsere Hoffnung“. Und das nicht von ungefähr. Als ich nämlich vor 25 Jahren angefangen habe, Theologie zu studieren, da hat mir mein alter Heimatpfarrer diesen Text quasi mitgegeben auf meinem Weg zur Uni nach Münster. Und im gewissem Sinne hatte der Text in Münster seinen Ort. Obwohl „Unsere Hoffnung“ ein Synodenbeschluss in Würzburg ist, war sein „Ghostwriter“ ein Theologieprofessor in Münster: Johann Baptist Metz hieß der. Und der hatte einen Sinn für Sprache – und für das was „in der Luft liegt“. Metz wollte Theologie machen „mit dem Gesicht zur Welt“[2]. Und: So ist „Unsere Hoffnung“ eine Zeitansage, die auch 50 Jahre später immer noch trifft.
Mich hat der Text in meinem Theologiestudium begleitet. Ein Satz, der ist mir quasi in mein Rückgrat gewandert, der prägt meine Glaubenshaltung bis in Mark – und das ist der hier: „Der Gott unseres Glaubens ist der Grund unserer Hoffnung, nicht der Lückenbüßer für unsere Enttäuschungen.“[3] Der Satz bringt auf den Punkt, worum es geht – und worum auch nicht. Gott ist nicht der Platzhalter bei den ungelösten Fragen. Nein: Er ist der Grund. Und genau das Wissen um diesen Grund setzt Kräfte frei.
Es sei an den Christen, so Metz, aus dieser Hoffnung „anschaulich“ zu leben. Zitat: „Die Welt‘ braucht keine Verdoppelung ihrer Hoffnungslosigkeit durch Religion; sie braucht und sucht […] das Gegengewicht, die Sprengkraft gelebter Hoffnung“[4].
Ja. Im christlichen Glauben steckt eine Sprengkraft. Denn er macht etwas mit dem Blick auf die Welt. Eine Hoffnung, die sich am Himmel festmacht, schafft es auch, das Seil über Abgründe zu spannen. Ich finde: Gerade im trüben November lohnt es sich, einmal mehr dem Grund der eigenen Hoffnung auf die Spur zu kommen.
Aus Köln grüßt Sie herzlich, Klaus Nelißen
[1] https://www.feinschwarz.net/synodaler-weg-und-wuerzburger-synode/
[2] https://www.katholisch.de/artikel/40512-die-kirche-und-die-wuerzburger-synode-neues-buch-erzaehlt-von-damals
[3] https://weltkirche.katholisch.de/dokumente/Gemeinsame_Synode_1975_-_Unsere_Hoffnung.pdf
[4] Ebd.
