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Kirche in WDR 5 | 01.12.2025 | 06:55 Uhr
Gnädig warten lernen
Sorry, liebe Hörerinnen und Hörer! – Aber erst mal: Guten Morgen! Warum Sorry? Weil ich heute in ziemlich kindlicher Stimmung bin. Und dieser Sender hat doch einen gewissen Anspruch. Aber auch als „gestandene“ Ordensfrau bin ich in kindlicher Erster-Dezember-Stimmung. Denn heute darf ich das erste Türchen am Adventskalender öffnen. Ich hab dieses Jahr tatsächlich so einen wie ganz früher, mit Türchen, hinter denen sich minikleine Schokoladenstückchen verstecken. Und ich hoffe, die haben auch jeden Tag eine andere Form, von der ich mich überraschen lassen kann, an der ich mich freuen kann. Seit ich im Kloster war, haben meine Eltern, als sie es noch konnten, jedes Jahr einen Adventskalender geschickt – aber keinen gekauften mit Schokolade, sondern mit selbstgenähten kleinen Säckchen. Die habe ich dann am Ende wieder zurückgegeben und meine Eltern haben sie im nächsten Jahr neu befüllt. Ich habe das geliebt. In kindlicher Freude, bis ich mehr als 50 Jahre alt war. Meine Eltern sind nicht mehr hier auf der Erde. Ein Adventskalender aber und die kindliche Erwartung, die sind geblieben.
Ist das nicht genau das Richtige? Der Advent ist schließlich eine Wartezeit auf Weihnachten. Auf die Geburt eines Kindes. Wie eine Frau in der Schwangerschaft es neun Monate tut. Warten will gelernt sein. Der Adventkalender lehrt warten, Kinder und große Leute. Sie mögen denken: Dass Advent mit Warten zu tun hat, ist nun wirklich kein besonders origineller Gedanke. Aber der Clou: Der Adventskalender hilft uns dabei, gnädig zu warten. Er versüßt das Warten. Meine Schokoladenversion nimmt dabei mit den minikleinen Schokoladenstückchen das Weihnachtsgeschenk nicht vorweg – wie manche Konsum-Adventskalender, würde ich sagen – und gibt doch schon mal einen kleinen Vorgeschmack. So wie damals bei uns zuhause mit den Weihnachtsplätzchen. Ab Buß-und-Bettag wurden sie gebacken, unzählige Sorten. Und dann standen sie auf dem Kleiderschrank im elterlichen Schlafzimmer, deutlich sichtbar, immer mehr Dosen. Essen durfte man sie erst Weihnachten. Na ja, mit Ausnahmen halt. Nach dem Backen gab es den Bruch. Und wenn meine Mutter – oder wer dann gerade mit Backen dran war –, alles heil gerettet hatte, dann wurde eben ein bisschen Bruch absichtlich produziert. Man muss doch schließlich wissen, ob man die Plätzchen anbieten kann, nicht wahr? Und an Nikolaus gab es einen großen Teller. Das war ein Fest!
War das alles zu streng? Nun, ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie mich Warten gelehrt haben. Es hilft: im ganz normalen Leben, ob an der Supermarktkasse oder bei der Hoffnung, dass sich meine Kirche wieder mehr dem Evangelium annähert. Ganz zu schweigen davon, dass wir alle auf Frieden warten, so dringend. Vieles kann man nicht herbeizwingen. Und dann ist es eine Kunst, so zu warten, dass man dabei gnädig mit sich umgeht.
Ob Sie auch gleich ein Türchen am Adventskalender öffnen oder es ganz ohne versuchen? Ich wünsche Ihnen auf alle Fälle einen guten Tag – und dass hier und da das Warten aufhört, weil Ihre Hoffnung sich erfüllt,
Ihre Schwester Katharina aus Münster
