Beiträge auf: wdr5
Kirche in WDR 5 | 27.10.2025 | 06:55 Uhr
Ruhestand
Guten Morgen.
Eine Pilgerherberge aufmachen, an einer kleinen Bucht am Meer, auf dem Jakobsweg. Das wäre was für den Ruhestand, denke ich. „Ach, dann kannst du ja Seelsorgegespräche führen“, meint eine Freundin. „Das wird sich dann von allein ergeben“, sage ich. Aber eigentlich stelle ich mir vor, vor allem Gastgeberin zu sein, ganz praktisch, so mit Betten richten und Frühstück machen… Oder ganz anders: Ich schaffe mir einen Hund an und bin viel draußen… Einen Laden von der Tafel leiten, das wäre auch was. Oder Stadt-Führungen anbieten an einem interessanten Ort. Aber: Es ist ja noch nicht so weit für mich. Ich habe ja noch etliche Jahre. Spinne nur manchmal so vor mich hin. Angeregt durch viele um mich herum, die bald in Rente gehen und sich mit der Frage beschäftigen, was sie dann machen. Vorausgesetzt natürlich, sie müssen nicht noch was dazu verdienen, damit sie leben können; sie sind fit und in der glücklichen Lage, völlig frei nochmal etwas ganz Anderes anzufangen, um nicht in das berühmte Loch fallen. Manche machen sogar nochmal eine Ausbildung, zum Beispiel bei uns in der Kirche für die Notfallseelsorge oder Telefonseelsorge oder suchen sich sonst ein Ehrenamt. Ich beobachte: Viele wollen gar nichts in dem Bereich machen, in dem sie seither beruflich tätig waren, sondern nochmal etwas ganz Anderes ausprobieren. Wie Rüdiger Rentzsch. Er war Verwaltungsleiter der Evangelischen Kirche im Rheinland. Ich habe ihn gefragt, ob er im Ruhestand nicht in unseren Ausschuss für Verwaltung und Finanzen des Kirchenkreises kommen möchte. „Nein“, hat er sehr spontan gesagt. „Ich möchte mir etwas suchen, was ganz anders ist als das, was ich ein Leben lang gemacht habe.“ Im Juni habe ich ihn bei einem Jubiläum im Hospiz in Krefeld getroffen. Da ist er jetzt ehrenamtlich im ambulanten Hospizdienst tätig. Ich frage ihn, warum er sich gerade für dieses Ehrenamt entschieden hat.
O-Ton 1: Wenn ich an meine berufliche Zeit zurückdenke, die war von Führungsaufgaben geprägt. Ziele definieren, Strategien verfolgen, geschickt taktieren, immer wieder überzeugen und entscheiden. Ich hatte mir vorgenommen, im Ruhestand etwas anderes zu machen. Etwas, was mich in neuer Weise fordert. Und das hat mich in die Hospizarbeit geführt.
Autorin: Was ist jetzt anders als früher, frage ich:
O-Ton 2: Hier geht es nicht um Beschlüsse und Vorlagen, sondern ich kann mich ganz in den Dienst eines Menschen stellen. In einer hochsensiblen Phase des Lebens. Ich richte mich völlig nach seinen Bedürfnissen und komme ihm ganz nah. Empathie hat hier einen ganz neuen Stellenwert gewonnen. Und es geht um existentielle Fragen. Ich kann dabei viel lernen, von anderen, aber auch über mich.
Autorin: Das leuchtet mir ein. Denn ich finde, man müsste eigentlich mehrere Leben leben können, um alles mal gemacht zu haben, was einen im Lauf des Lebens interessiert. Und als Christin oder Christ kann man schon auch das Gefühl haben: „Ich will nochmal etwas machen, was Nächstenliebe pur ist und damit ganz nah an dem, was Christsein ausmacht.“
Vielleicht überlegen Sie auch gerade, was tun mit der vielen Zeit, die Sie bald haben. Viel Freude dabei!
Das wünscht Ihnen,
Barbara Schwahn aus Meerbusch.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
