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Kirche in WDR 2 | 15.11.2025 | 05:55 Uhr
Hand in Hand
Letzten Sommer laufe ich im Urlaub durch eine fremde Stadt. Schaue mir die Kirche an, dazu ein paar alte Häuser, die mein Reiseführer für sehenswert hält. Anschließend gehe ich noch durch die Fußgängerzone. Bisschen Schaufenster gucken und in ein paar Läden gehe ich auch rein. Besonders viel los ist allerdings nicht, weder in den Geschäften noch draußen.
Doch dann sehe ich ein älteres Ehepaar. Das Besondere an ihnen ist: Sie halten sich an den Händen. Nicht wie zwei Verliebte mit ständigem gegenseitigen Anschmachten. Sondern mit der größten Selbstverständlichkeit. Sie sprechen kein Wort, jeder guckt in seine Richtung. Bis die Frau den Mann auf etwas aufmerksam macht, so dass sie gemeinsam zu einem Laden auf der anderen Seite gehen.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal ältere Menschen Hand in Hand gesehen habe. Nach meiner Wahrnehmung ist das ein ziemlich seltener Anblick. Wobei mich besonders diese Selbstverständlichkeit berührt: Ich bin da, du bist da. Jeder ist so, wie er ist. Jeder darf gucken, wohin er will. Jeder darf denken, was er will. Aber wir sind zusammen und jeder nimmt die Impulse vom anderen wahr.
Das Ganze fasziniert mich so, dass ich stehenbleibe und den beiden zusehe. Einen Moment lang stehen sie vor dem Schaufenster, tauschen sich ein wenig aus und dann gehen sie weiter. Dabei sehen der Mann und ich uns kurz an. Und ich kann nicht anders, ich lächele ihm zu. Richtig zurücklächeln tut er nicht. Aber er guckt freundlich. Und ich lese in diesen Blick hinein: „Hand in Hand mit meiner Frau – das machen wir nun schon so lange, das ist völlig normal! Aber genau das ist auch das Schöne: Diese wunderbare Normalität, mit der wir gemeinsam durch‘s Leben gehen.“
Und während ich selbst nun ebenfalls weitergehe, denke ich: Genau so ist das mit Gott. Der hält uns ganz selbstverständlich an der Hand, während wir durch’s Leben gehen. Manchmal ist das was Besonderes, weil wir dadurch Halt finden in schwierigen Phasen. Manchmal staunen andere Menschen darüber: „Wie hast du das geschafft, diese Zeit zu überstehen?“ Oder ich wundere mich selbst: „Woher hab‘ ich dafür die Kraft genommen?“ Aber meistens ist es etwas ganz Normales, dass wir an der Hand gehalten werden. Wenn nicht von einem Menschen, dann auf jeden Fall von Gott. Der macht da gar kein großes Aufhebens drum. Aber wenn wir ab und zu merken: „Ich werde an der Hand gehalten – gerade jetzt, in diesem Moment“ – dann tut das gut. Denn dieses Sich-Gehalten-Fühlen, das ist etwas richtig Schönes.
Redaktion: Landespfarrerin Julia-Rebecca Riedel
