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Sonntagskirche | 21.12.2025 | 08:55 Uhr
Licht am Ende des Tunnels
Es ist schon verrückt: Ausgerechnet ein Zug als Heilsbringer. Kein göttliches Wesen, sondern die Bahn! Und das in Zeiten, da der Wahnsinn an Bahnhöfen in der Kälte hier und da noch mal mehr spürbar wird: wenn die Züge nicht kommen, ausfallen. O, Du Fröhliche…
Und dann: „Starlight Express! Ich brauche Dich jetzt! Drum bitt ich, komm zu mir“
So hab ich es in der ersten Adventswoche wieder gehört. In Bochum. Nach Jahrzehnten. Ich war noch ein kleiner Schüler, als ich die Urbesetzung von 1988 über die Bühne düsen gesehen habe.
Starlight Express. Das war mein Musical. Und ja, allzu oft war es mein Bittgebet in der Nacht: Es war nach meiner Erstkommunion, da hatte mich ein Lastwagen überrollt, kein Zug, als ich gerade die Dankeskarten austeilte. Und ich lag ziemlich lang im Krankenhaus. Mir ging es danach ziemlich lange ziemlich schlecht. Konnte fast nichts machen. Die Kassette vom Starlight lief daheim rauf und runter. Wenn mir mein Kopf wieder zu zerbersten schien, auch Monate nach dem Unfall, dann wimmerte ich auf dem Sofa „Starlight Express- ich brauche Dich jetzt!“
Für alle, die das Musical noch nicht gesehen haben: Starlight Express, das ist der mysteriöse Zug aus dem Jenseits. Der hilft der Dampflock Rusty in dem Moment, als Rusty sich aufs Abstellgleis gestellt fühlt. Als er im großen Rennen der anderen Züge abgehängt ist und zu scheitern droht. Der Moment, wenn Rusty da mutterseelenallein auf der Bühne steht und fleht: „komm zu mir“, der hat mich nach über 30 Jahren wieder gepackt wie damals. Diesmal war ich mit meinem Patenkind da. 6 Jahre ist sie jetzt. Und es war mir irgendwie wichtig, dass sie diesen Moment auch erfährt: Einmal nach Bochum. Das atemberaubende Rennen der Musicaldarsteller sehen, die rasanten Lieder, die auch ein Wettstreit der Musikstile sind. Und dann dieser Moment. Wenn auf einmal der Laser sich – wie damals schon – durch den Nebel schält und Rusty Antwort erhält, vom Starlight Express.
Und das mit Worten, die für einen mystischen Zug schon ziemlich biblisch klingen: „Du allein, hast die Kraft tief in dir. Und wenn du an dich glaubst, dann kann alles geschehen. Selbst das Meer teilt sich vor dir.“ Wie sich das Meer vor einem Zug teilen kann, ist dabei eigentlich egal. Bei Mose in der Bibel hatte es ja auch funktioniert. Und diese Art von Zuspruch, die hatte mir damals geholfen in meinem dunklen Stunden. Und als ich jetzt wieder im Bochumer Musical-Theater gesessen habe und in die staunenden Augen meines Patenkinds geschaut habe, da wusste ich: Das funktioniert noch immer. Und so einen Zuspruch zu erfahren, das ist wichtig.
Macht es einen Unterschied, ob diesen Zuspruch von einem Musical-Zug kommt oder von einem Propheten aus der Bibel? Ich finde: Das ist doch Advent…gerade wenn es um uns dunkel wird – und still. Sind dann nicht die Momente wichtig, wenn wir das „Licht leuchten sehen in der Ferne“? Wenn wir spüren: „ganz am Ende des Tunnels brennt ein Licht?“ Das Musical mag mir die Ahnung davon geben. Die begründete Hoffnung, dass es so ist, die gibt mir mein Glauben.
