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Kirche in WDR 3 | 05.11.2025 | 07:50 Uhr
November
Jetzt ist schon wieder Mittwoch und ich bin mittendrin in einer gewöhnlichen Woche. Und nun ist auch schon November. Das ist ja mal der Monat, der wirklich dafür bekannt ist, dass es grau und düster wird. Dabei mag ich jetzt gar nicht mit Ihnen über das Wetter reden. Sondern vielmehr über all das, was mir bei allen schweren Stimmungslagen des Novembers hilft, damit umzugehen. Mit all der Dunkelheit. Offen gesprochen hilft es mir schon seit Kindertagen gleich zu Anfang mich sowohl der Dunkelheit zu stellen, wie auch der Angst davor. Nämlich wirklich gleich schon am 1. November. So habe ich es in diesem Jahr auch wieder getan. Wenn es dunkel ist am Allerheiligentag gehe ich immer auf den Friedhof. Aber wirklich erst dann, wenn die Sonne untergegangen ist. Und am liebsten sogar erst, wenn nur noch wenige Menschen dort sind. Klingt vielleicht gruselig. Aber ganz ehrlich: Vielleicht ist es das auch an jedem anderen Tag im Jahr, aber eben nicht am ersten November. Dann brennen nämlich meinem Friedhof hier in Essen-Schönebeck besonders viele Lichter auf den Gräbern. Und diese Grablichter trotzen der Dunkelheit, der Dunkelheit des Todes und der Angst. Diese Lichter erzählen mittendrin im Ort des Todes von der Hoffnung.
Vielfach ist so ein Friedhof bei Nacht ein echtes Flammenmeer. Rotes Funkeln und Leuchten liegt über der Dunkelheit und macht die Nacht hell. Mir erzählt diese Nacht auf dem Friedhof von der Hoffnung auf neues Leben. Ausgerechnet in der Dunkelheit der Traurigkeit und des Todes erzählt mir ein Lichtermeer vom Anbruch eines neuen Morgens. Es ist die Geschichte von Ostern. Und in der Osternacht, wenn die Christ: innen Auferstehung feiern, schafft es auch ein einziges Licht, die stockfinstere Kirche zu erleuchten. Da verbreite sich ebenfalls ein winzig kleines Licht so in der Menge, dass es plötzlich immer heller wird. Und in allen Fragen und Zweifeln, die der Tod mit sich bringt, kommt ein Funke Hoffnung. Das ist keine Garantie, sondern nur eine Idee: nach allem Dunkel der Nacht kommt auch hoffentlich wieder ein neuer Morgen. Erst langsam dämmernd und dann immer heller und heller. Das ist mir deshalb so wichtig, weil ich eben nicht nur diesen schönen Anfang des Novembers kenne, sondern auch den so genannten Novemberblues: Jene depressive Verstimmung, die stärker werden kann, je weniger Licht die Tage haben. Manchmal kommt dieser Novemberblues nicht gleich zu Beginn des Monats. Es gibt Jahre, da kommt er bei mir auch erst Anfang Januar, wenn es wirklich gar nicht mehr heller zu werden schein. Der Novemberblues kommt nicht auf Datum, aber er kommt.
Was mir da hilft ist einmal Licht. Aber auch die Erinnerung an helle Momente. Mir hilft die Hoffnung, dass es eine Phase ist. Mein Blues ist ein Prozess, der sich auch weiterentwickelt. Aber das will geübt und trainiert sein. Und: Der Novemberblues mag es, angenommen und willkommen geheißen werden. Am liebsten gleich zu Beginn des Monats. In der ersten Nacht. Eben mit Kerzenschein, ausgerechnet da, wo es für manche wirklich gruselig wird. Aber eben nicht, um mich zu erschrecken, sondern um mich zu üben und mich zu erinnern, dass nicht die Finsternis, sondern das Licht bleibt. Es gilt den November, wie den Novemberblues anzunehmen, aber licht und leicht mit ihm umzugehen. Ich tue es gerne mit dem Licht des Glaubens und die Hoffnung auf Auferstehung. Sie weiß um den Tod, und vertraut, dass noch etwas Anderes kommt.
Einen guten Novembertag wünscht Ihnen Stefan Wiesel aus Essen.
