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Kirche in WDR 5 | 30.07.2025 | 06:55 Uhr
Internationaler Tag der Freundschaft
Guten Morgen!
Mit Christopher aus Ghana in Westafrika bin ich schon seit über 40 Jahren befreundet. Mit einer Brieffreundschaft fing es an. Und das kam so: Ich hatte mein Theologie-Studium in Bochum Anfang der 1980er Jahre begonnen und wollte Priester werden. Siebzig Priesteramtskandidaten waren wir damals und lebten zusammen in einem Studienhaus des Bistums Essen in Uni-Nähe. Während des Semesters gab es alle 14 Tage ein verpflichtendes sogenanntes Hauswochenende, wo über den Uni-Betrieb hinaus alle Priesteramtskandidaten weiter fortgebildet wurden zu Themen wie etwa Mediennutzung, geistliches Leben, Globalisierung und Weltkirche. Gerade zu den letzten Themen luden wir damals für einen Abend einen jungen Priester aus Ghana ein. Der promovierte zu der Zeit in Deutschland und erzählte uns etwas über die Priesterausbildung in seiner Heimat. Ich erinnere mich noch sehr gut an seinen Vortrag. Er hatte Dias mitgebracht und stellte stolz seine Familie vor, sein Zuhause und das Studienhaus, wo er ausgebildet worden war. Und so verschaffte er mir damit – im wahrsten Sinne des Wortes – einen Einblick in eine andere Welt. Für mich war das so eine Art Initialzündung. Und es stellte sich die Frage, ob es bei so einer Informationsveranstaltung bleiben sollte. Nein, es wurden Adressen ausgetauscht, um Brieffreundschaften zu knüpfen. Und so habe ich damals einen ersten Brief an Christopher geschrieben. Und Christopher reagierte prompt, was damals ohne Internet eben Wochen dauerte. Warum ich das erzähle? Heute ist der internationale Tag der Freundschaft. Eingerichtet wurde der Tag 2011 von den Vereinten Nationen aus der Überzeugung heraus, dass „Freundschaft zwischen Völkern, Ländern, Kulturen und Einzelpersonen Friedensbemühungen inspirieren und Brücken zwischen Gemeinden bauen kann.“ Und ich kann nur sagen: Ja, das stimmt!
Neun Jahre nach dem Beginn der Brieffreundschaft habe ich Christopher zum ersten Mal gesehen und zwar in dem Studienhaus in Ghana, wo er ausgebildet wurde und nun Dozent war. Inzwischen bin ich selbst einmal im Jahr genau in diesem Studienhaus und halte dort Vorlesungen. Seit 20 Jahren fliege ich dorthin und unterrichte die Priesteramtskandidaten kompakt eine Woche über christliche Kunst und was sie bedeutet. Das macht mir und ihnen großen Spaß: Ich vermittle etwas von meinen Kenntnissen als Kunsthistoriker und ich lerne umgekehrt viel über die Kultur in Ghana. Dieses Land ist mir echt ans Herz gewachsen. Und klar: Wenn ich dort bin, treffe ich mich mit Christopher, der inzwischen Pfarrer in einer kleinen Stadtgemeinde ist. Wir sprechen über Gott und die Welt, die durch unsere Freundschaft etwas überschaubarer geworden ist.
Das ganze Gerede über Globalisierung, Weltverantwortung und Solidarität bleibt solange abstrakt und irrelevant, solange es nicht ein konkretes Gesicht bekommt. Sobald ich nämlich jemanden konkret kenne aus einem anderen Teil dieser Welt und mit diesem Menschen befreundet bin, fühle ich mich mit ihm verbunden und lerne die Welt mit seinen Augen zu sehen.
Vielleicht ist heute, am Tag der Freundschaft, genau die richtige Zeit, eine Freundschaft, die etwas ruht, wieder zu beleben. Ein Anruf, ein Brief, eine Sprachnachricht: das geht heute ja so viel einfacher, als zu der Zeit, als ich mit Christopher in Ghana das Freundschaftsband geknüpft habe. Man muss es nur machen. Und – man sieht die Welt mit anderen Augen.
Herzliche Grüße aus Duisburg, Ihr Pater Philipp Reichling.