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Sonntagskirche | 16.11.2025 | 08:55 Uhr
Gegen das Novembergrau
Zugegeben: Der November macht selbst mich, die rheinische Frohnatur, oft etwas schwermütig. Da tröstet auch der Start der Karnevals-Session am Dienstag nur schwer drüber hinweg. Aber vielleicht Noah und seine Arche. Wie ich auf den komme? Nun: am 01. November, da haben wir hier in Kevelaer mit großem Bahnhof das Wallfahrtsjahr beendet. Seit dem ersten Mai waren die Pilgerinnen und Pilger zu uns gekommen und mit ihnen quasi ihr ganzes Leben: Sorgen, Anliegen, all die Bitten und der Dank. Seit Allerheiligen ist das große Pilgerportal geschlossen und die sonst so vollen Straßen, Plätze, Kirchen und Kapellen, die sind leer. Ich halte Rückschau auf dieses Wallfahrtsjahr. Ich denke an Begegnungen mit vielen Menschen zurück. Ja: es war ein gutes Jahr, denke ich. Und ich denke an das Wallfahrtsmotto: Das Wort „Pilger der Hoffnung“ haben wir über das Jahr 2025 gestellt. Das war weltweit das Motto dieses „Heiligen Jahres“; das die Katholische Kirche gefeiert hat.
Jedenfalls Wenn ich in diesem Wallfahrtsjahr eine Pilgerandacht in unserer Basilika feiern durfte, da habe ich einen vielleicht ungewohnten Hoffnungs-Text aus der Bibel rausgekramt. Ich habe den Menschen von Noah erzählt. Ja genau: Der mit der Arche und der Sintflut. Dieser Noah hatte von Gotte eine simple Bauanleitung für seine persönliche Rettungsplattform bekommen: „Bau dir einen Kasten aus Tannenholz. Die Kammern abgedichtet. Drei Etagen! Eine Tür! Ein Fenster!“. Das wars! Mehr hat er nicht bekommen! Und Noah? Der hat das Schiff gebaut. Und die Geschichte malt es aus: Er, seine Frau, seine Söhne und Schwiegertöchter und von jedem Tier ein Paar gehen an Bord. Und dann geht der sintflutartige Regen schon los. Wasser, wohin man nur sieht. Oben, unten, rechts, links. Vernichtende Fluten. Und Noah? Tja… der treibt auf seiner Rettungsplattform namens Arche über die Fluten, anstatt in ihnen umzukommen. Und ich denke mir: Was für ein genialer Gott, der mir so eine Bauanleitung für diese Rettungsinsel schenkt. Aber zugleich: Wenn ich an den Bauplan denke… naja. Ganz schön eng, ganz schön isoliert, ganz schön beängstigend. Und dann lese ich weiter im Buch Genesis: Noah beginnt mit einem verrückten Hoffnungs-Experiment. Drei Mal schickt er eine Taube raus. Das erste Mal kommt sie zurück. Nur Wasser. Das zweite Mal bringt sie einen Olivenbaumzweig. Gibt es also doch Anlass zur Hoffnung auf sattes Leben? Und dann, beim dritten Hoffnungs-Experiment bleibt sie weg. Das Wasser verschwindet und neues Leben ist möglich auf der Erde.
Von den Experimenten steht nichts in der Bauanleitung. Noah musste selbst aktiv werden. Und in den grauen Novembertagen, in den sintflutartigen Zuständen von Krieg, Extremismus, Nationalismus, in den so unterschiedlichen Sorgen und Nöten unserer Tage: da möchte ich mir ein Beispiel an Noah nehmen. Ich packe meinen Experimentierkoffer aus und in den tristen Novemberhimmel lasse ich heute meine Taube fliegen – wenn auch unsichtbar. Ich bin sicher: Selbst im November bringt sie mir irgendeinen Ölbaumzweig der Hoffnung mit. Und dann packen wir das, mit der Hoffnung und der Zukunft… und auch mit dem Novembergrau.
