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Kirche in WDR 2 | 22.12.2025 | 05:55 Uhr
Eine andere Geschichte
Ich sitze am Schreibtisch. Nur noch ein paar Tage bis Heiligabend. Höchste Zeit, die Weihnachtskarten zu schreiben. Aber irgendwie fällt mir nichts Passendes ein. Mein Kopf ist voll mit anderen Dingen: Rentenkrise. Finanzkrise. Wirtschaftskrise. Klimakrise. Ukrainekrise. Sudankrise. Und alle Krisen kreisen jetzt in meinem Kopf. Da ist einfach kein Platz für weihnachtliche Stimmung.
In meinen Gedanken fügen sich all die Krisen zusammen zu einer einzigen großen Geschichte. Und deren Botschaft ist: „Es wird alles immer nur noch schlimmer. Das gibt nichts mehr.“
Und ich meine, ich bin da nicht der Einzige, dem das so geht. Wenn ich mit Freunden zusammensitze, wenn ich mit den Nachbarn rede. In seelsorgerlichen Gesprächen. Alle kennen diese Geschichte. Da ist kaum einer, der sagt: „Ach, das kriegen wir schon hin.“ Eher: „Was will man da schon machen? Schlimm, schlimm, schlimm.“
Was wollte ich noch? Ach ja, Weihnachtskarten schreiben. Aber jetzt.
Ich schau mir die erste Karte genauer an. Da ist ein Bibelspruch: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen.“ (Johannes 1,5)
Hm. Das klingt anders. In meinem Kopf hat sich eine düstere Geschichte eingenistet von Hoffnungslosigkeit und Sorge. Aber diese Geschichte hier ist anders. Da geht es um Licht, das in die düstere Welt hineinleuchtet. Es geht um Hoffnung. Um Trost. Um eine Kraft, die trotz allem immer noch stark genug ist, sich der Welt zu stellen. Das ist die Geschichte von Weihnachten.
Diese Geschichte ist an sich alles andere als Rosarot. Sie erzählt von der Geburt eines unehelichen Kindes unter mehr als ärmlichen Umständen. Sie erzählt von Bedrohung und Flucht. Sie sagt klar: Es ist nicht möglich, ohne blaue Flecken und Schrammen durch dieses Leben zu gehen. Aber sie erzählt eben auch, dass das nicht alles ist. Dass mitten in der Not innere Stärke wächst. Dass aus Verzweiflung Hoffnung wird und aus Angst Mut.
Zwei Erzählungen über diese Welt. Und ich sitze da und frage mich: Welche der beiden soll meine sein?
Mit einem Mal weiß ich genau, was ich auf meine Weihnachtskarte schreibe. Den hoffnungsvollsten Satz, der mir an diesem Abend einfällt. Ok, besonders originell ist er nicht. Aber heute Abend fühle ich was er wirklich bedeuten kann. Ich schreibe. In der schönsten Handschrift, die mir möglich ist: „Frohe Weihnachten.“
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
