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Kirche in WDR 5 | 23.09.2025 | 06:55 Uhr
Warntag - hat wirklich alles funktioniert?
Vor fast zwei Wochen war es wieder soweit: Bundesweiter Warntag. Die Sirenen haben geheult, die Warn-Apps auf den Mobiltelefonen haben Alarm geschlagen. Kurze Zeit später: Wunderbar, alles hat geklappt. Hier und da gibt es noch wieder Nachbesserungsbedarf – alles lösbar. Wir arbeiten daran – wie beruhigend… Und mitten in diesem vormittäglichen Spektakel hat es mich wieder durchzuckt: Das ist eine Übung. Doch was – wenn nicht? Ich bekomme dann immer eine (wenn auch nur wenige Minuten andauernde) mittelmäßige Panik-Attacke. Was, wenn das alles ernst und keine Übung ist? Was machst du dann? Hast du dann alles drauf, was in diesen und den nächsten Augenblicken wichtig ist? – Und was ist eigentlich mit all‘ den Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen von alledem nichts mitbekommen – vor allem dann, wenn die Gefahr wirklich unmittelbar vor der Tür steht?
Mir geht da der ältere Herr nicht aus dem Kopf, der im Juni bei der größten Evakuierungsaktion anlässlich einer Bomben-Entschärfung seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch die Schlagzeilen ging. Sie erinnern sich? Als in Köln fast einen Tag nichts ging. Auch wegen dieses Mannes. Der ist schwerhörig und hatte von all‘ den Vorbereitungen für die Evakuierung nichts mitbekommen. Auch die Mitarbeiter des Ordnungsamtes hatten durch ihre Klingelaktion an der Haustüre ihn nicht erreichen können. So blieb er unbewusst in seiner Wohnung – mitten im Evakuierungsgebiet, hochgefährlich. Eher zufällig blickt er am Abend aus dem Fenster und wundert sich über die menschenleere Straße vor seiner Wohnung. Sonst war diese Straße um diese Uhrzeit immer voller Verkehr. Jetzt aber: Nichts mehr. Tot. Keiner mehr unterwegs. Das machte den alten Herrn stutzig, und so rief er sichtlich verunsichert und ängstlich bei der Feuerwehr an. Dort erkundigte er sich, ob denn etwas schlimmes passiert sei. Die Straße sei so leer, und er fürchtete sich. Kein Mensch hatte den älteren, schwerhörigen Herren erreicht. Er war einfach vergessen worden. In welcher Einsamkeit mochte er leben? Offensichtlich hatte er keinen mehr, der ihn irgendwohin mitnahm und einfach am Leben teilhaben ließ. Welche Einsamkeit lassen wir eigentlich bei uns zu? Und das gilt nicht nur für große Städte wie Köln. Das kann einem auch auf dem Dorf passieren. Das war vielleicht ein kurzer Moment und er konnte sich dann durch den Anruf bei der Feuerwehr doch letztlich noch helfen. Und doch blitzte bei mir die Frage auf: Was, wenn es jetzt wirklich zu einem Unglück gekommen wäre? – Wer hätte dem älteren Herrn noch helfen können? Hätte ich in der ausbrechenden Hektik noch den Kopf frei, an Menschen wie ihn zu denken? Dabei habe ich es doch quasi mit der Muttermilch aufgesogen: Sieh nicht nur immer auf Dich selbst – achte auch auf Deinen Nächsten. Pack‘ an, wo Not Hilfe erfordert. Und in diesem Sinne stelle ich heute einfach einmal die Frage in den Raum: Hat am Warntag vor fast vierzehn Tagen wirklich alles funktioniert? Auch meine persönliche Warnkette in meine direkte Umgebung hinein, bei den Menschen, die nur ich noch erreichen kann? Wie sieht es mit meiner persönlichen „Anti-Einsamkeits-Initiative“ aus – läuft die gut? Ich wünsche Ihnen einen aufmerksamen Tag – damit nicht nur am bundesweiten Warntag alles zufriedenstellend funktioniert. Ihr Ulrich Clancett aus Jüchen