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Kirche in WDR 4 | 24.10.2025 | 08:55 Uhr
Welttag der Bibliotheken
Heute ist der Welttag der Bibliotheken. Da fällt mir sogleich ein Super-Satz von Martin Walser ein: "Lesen ist nicht wie Musik hören, sondern wie Musik machen". Das gilt ja schon für kleinen Kinder: Vorlesen vor dem Einschlafen ist wunderbar für sie. Nicht selten möchten sie dieselbe Geschichte noch einmal hören. Wenn dann Mutter, Vater oder Schwester extra etwas Neues, Unbekanntes einbauen, kommt Protest: Nein, das stimmt doch nicht, das ist doch anders. Beliebt bei etwas älteren Kindern oder auch im Kindergottesdienst ist es, den Anfang einer Geschichte zu erzählen und dann zu fragen: Ja, wie geht es denn jetzt weiter?!
Letztes Jahr hat der verstorbene Papst Franziskus ein Schreiben veröffentlicht mit dem Titel: "Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung". Knapp bringt er es auf den Punkt, Zitat: "Die Literatur dient, kurz gesagt, dazu, das Leben wirklich zu erfahren". Zitat Ende. Also genau das, was geschieht, wenn kleine Kinder vor dem Einschlafen den Geschichten lauschen. Der Papst führt aus, dass Lesen verhilft, mit den Augen anderer zu sehen und sich mit anderen zu identifizieren. Aleida Assmann hat mit ihrem verstorbenen Gatten Jan kürzlich das Buch Gemeinsinn geschrieben. Sie sagt, dass Lesen über die Identifikation hinaus auch zur Solidarität mit anderen führen kann. Es gibt der Erfahrung einen Sinn und motiviert zu sozialem Handeln. Als Kind und Jugendlicher habe ich alle Karl May-Bücher in der Pfarrbibliothek ausgeliehen. Kaufen war bei vier Kindern in unserer Familie nicht drin. Hier in unserer Pfarrei ist die Bibliothek für 26.000 Menschen die einzige. Früher gab es zwei Haltestellen des Büchereibusses der Stadt- sie mussten eingespart werden. Das Team der Pfarrbücherei bietet den 20 Kindergärten bei uns den Büchereiführerschein an. Die Kinder essen bei dem Kurs auch den Bücherwurm, einen Sandkuchen mit Augen und singen das Büchereilied.
Islam, Judentum und Christentum sind Buchreligionen. Also ist Lesen gut. So können Kinder in unserer Kirche, hier in Köln Höhenberg-Vingst, immer so viele Bücher geschenkt mitnehmen, wie sie möchten. Zum Glück bekommen wir genug geschenkt.
Einige Jahre lang habe ich an einem Lesezirkel teilgenommen. Alle paar Monate haben wir ein Buch besprochen, das wir vorher gelesen hatten. Unter Leitung einer kundigen Dame. Lesezirkel gibt es immer noch, vielleicht ja auch in Ihrer Bibliothek vor Ort. Aber auch etwas Neues: Stilles lesen. Die Menschen treffen sich und lesen jeweils ein anderes Buch. Aber auch so wächst Gemeinschaft aus der Liebe zur Literatur.
