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“Kommt doch in unseren Schatten!” - Pilgererfahrungen
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Das Geistliche Wort | 03.08.2025 | 08:40 Uhr

“Kommt doch in unseren Schatten!” - Pilgererfahrungen

“Kommt doch in unseren Schatten!” – Was für eine wohltuende Einladung an so einem heißen Sommertag.

Ich bin ich mit einer kleinen Pilger-Gruppe unterwegs in Umbrien. Unser Ziel:
Assisi, die Stadt des Heiligen Franziskus. An jenem Tag, Ende Juni, ist das Pilgern besonders schweißtreibend: Das Thermometer zeigt 35 °C. 10 km liegen bereits hinter uns und wir erreichen nach einem wirklich herzhaften Anstieg ein kleines Gehöft. Ein älteres Ehepaar - 85 und 87 Jahre - sitzt unter einer Weinlaube in einer in die Jahre gekommenen Hollywood-Schaukel. “Venite nella nostra ombra!” sagen sie, als sie uns entdecken. - ”Kommt doch in unseren Schatten!” Gerne lassen wir uns auf der Bank neben den alten Leuten nieder.

Sie steht gleich auf, kocht Kaffee und holt gekühltes Obst. Die Pause tut gut. Die beiden erzählen von zahlreichen Begegnungen mit Pilgern auf diesem Weg. Sie haben bereits eine offene Wasserstelle eingerichtet. Und immer wieder kommen sie mit den Pilgern ins Gespräch. Mit vielen haben sie auch schon Fotos gemacht. Gerne würden sie sich auch selber noch auf den Franziskus-Weg machen, aber die Kräfte reichen nicht mehr.

Von diesem besonderen Weg möchte ich Ihnen heute erzählen, liebe Hörerinnen und Hörer. Vielleicht geht es Ihnen wie den beiden: Sie können den Weg selbst nicht mehr gehen – aus welchen Gründen auch immer. So nehme ich Sie heute mit auf einer kleinen Ohren-Pilger-Reise. Ich bin Matthäus Niesmann und als Spiritual im Bistum Münster bin ich ihn schon oft gepilgert: den Franziskus-Weg, auf den Spuren dieses großen Heiligen…

Musik 1: Pat Metheny: Sueno Con Mexico (Album: Works)

Dem alte Bauernpaar, das uns in ihren Schatten lud, fällt das Gehen mittlerweile sichtbar schwer. Aber sie können anderen noch einen Schattenplatz anbieten, Wasser, Kaffee und Obst.

“Und wir können für alle, die hier vorbeikommen, beten...”, betont der Mann. “Und wir hoffen, dass die Pilger uns in Assisi beim Gebet am Grab von Franziskus auch nicht vergessen”, fügt sie mit einem hoffnungsfrohen Lächeln hinzu.

Gestärkt durch diese liebevolle Begegnung pilgern wir weiter zwischen Gubbio und Assisi. Die Zugewandtheit und Menschenfreundlichkeit der beiden erinnert uns an den Heiligen Franziskus. Und so kommen wir auf dem weiteren Weg über ihn ins Gespräch.

1181 wird er in Assisi geboren. Sein Vater Pietro Bernadone ist ein reicher Tuchhändler. Unbeschwert wuchs Franz auf. Vom Typ – eher ein Draufgänger. Als es zum Städtekrieg mit der Nachbarstadt Perugia kommt, kämpft er selbstverständlich mit. Assisi verliert den Kampf. Franziskus bleibt ein Jahr gefangen in Perugia, bevor er krank wieder nach Assisi heimkehrt. Nach seiner Gesundung hätte er als Kreuzritter ins Heilige Land ziehen können. Er hätte auch in das Geschäft seines Vaters einsteigen können.

Aber dann kommt er in einer verfallenen Kapelle vor einem Tafelkreuz mit dem Bild des Gekreuzigten mit Jesus ins Gespräch. Von da an will er leben wie Jesus: arm und ganz für die Armen und Kranken da – auch für die an Lepra erkrankten. Das gibt Streit mit seinem Vater – zumal Franz dessen Besitz verschenken will. Er wird in einen hauseigenen kleinen Kerker gesperrt, lässt sich aber nicht beirren. Schließlich gibt er seinen Eltern buchstäblich das letzte Hemd zurück. Nackt und bloß verlässt er Assisi. Eine Familie im 60 km entfernten Gubbio nimmt ihn eine Zeitlang auf und gibt ihm ein erstes ganz einfaches Gewand. Häufig ist Franziskus wohl diesen Weg von Assisi nach Gubbio und von Gubbio nach Assisi gegangen.

Nun sind wir als Pilger auf eben diesem Weg, um dem heiligen Franziskus etwas auf die Spur zu kommen: Hier hat er gelebt, hier war er unterwegs. Die Hitze und die Blasen an den Füßen geben uns ein Gespür dafür, wie mühevoll es schon damals zu Fuß war. Da ist es wichtig einander zu unterstützen und manches Mal bleiben wir verwiesen auf die Hilfe derer, die am Weg wohnen – wie die beiden Alten, die in uns in ihren Schatten geholt haben.

Musik 2: Ludovico Einaudi: Stella del mattino

Auf unserem Pilgerweg nach Assisi auf den Spuren des heiligen Franziskus in sommerlicher Hitze unterstützen wir uns gegenseitig, helfen mit Wasser, Nahrungsmitteln, Sonnenöl und Blasenpflastern aus. Wir erfahren auch deutliche Hilfe von außen.

Mir kommt ein Gedicht von Hermann Josef Coenen in den Sinn, dass mich schon lange auf unterschiedlichen Wegen begleitet. Es geht so:

Du weißt, Gott, wie es uns ergeht
auf unserem Wüstenweg, auf unserem wüsten Weg,
bei unserer Gratwanderung, auf unseren Pättkes
und Bürgersteigen und Rolltreppen.
Du weißt, wie oft uns die Füße dick werden
und das Herz schwer.
Wie oft das Gepäck drückt und die Wegweiser
unleserlich und verwittert sind durch die Zeit.
Darum danken wir Dir, Gott, dass Du uns gesagt hast:
„Es ist nicht gut, für den Menschen, allein zu sein!“
Du hast uns Gefährten gegeben, die mit uns gehen,
die an das Ziel erinnern und ein Lied anstimmen,
wenn wir aufgeben möchten.
Die unsere wunden Blasen verbinden
und einen Schluck mitgeben aus ihrer Flasche.
Wir danken Dir auch, dass es andere gibt,
die wir stützen, aufrichten und ermutigen können.
Lass uns immer wieder erfahren, dass,
„wo zwei oder drei in Deinem Namen versammelt sind“
und zusammen gehen,
Du mitten unter uns bist.

(Hermann Josef Coenen, CREDO Anstiftungen zum Glauben, Stuttgart 2000, 111)

Musik 3: Ludovico Einaudi: Stella del mattino (Album: I giorni)

Die Landschaft in Umbrien, durch die unser Pilgerweg Richtung Assisi führt, beeindruckt uns alle. Die brütende Sonne wird gemildert durch weite Strecken im Schatten. Vor allem die Anstiege liegen oft im Wald. Gerade auf den langen Wegen zieht sich unsere Gruppe auseinander. Die gute unübersehbare Kennzeichnung des Weges erlaubt es, weite Strecken einfach auch allein zu gehen, den eigenen Gedanken Raum zu geben. Jeder von uns hat Menschen von zu Hause im Herzen mit dabei. Für die beten wir still auf diesem Weg still und empfehlen sie der Fürbitte des heiligen Franziskus. Das ist eine gute katholische Praxis: Wir sehen die Heiligen als Fürsprecher, als Mitträger – denn: manche Last trägt sich besser nicht allein.

Es ist schon eigenartig, wie nahe der Heilige Franziskus uns kommt auf diesem Weg. Wie oft mag er hier durch die Wälder und über die Berge gegangen sein? Einer von uns fragt scherzhaft, ob Franziskus wohl auch Blasen an den Füßen hatte. Sie werden ihn nicht aufgehalten haben – uns auch nicht.

Nach den Tagen zu Fuß auf Pilgerschaft erreichen etwa sieben Kilometer vor Assisi einen kleinen fast unscheinbaren Aussichtspunkt: Ein Kreuz steht hier und davor: ein Berg von zum Teil beschrifteten kleinen oder etwas größeren Steinen. Von hier aus sieht man zum ersten Mal den Glockenturm der Basilika San Francesco. Hier liegt Franziskus begraben. Viele Pilger auf diesem Weg tragen einen Stein bei sich, verbunden mit ihren Anliegen und Sorgen. Hier ist der Ort den Stein abzulegen. Wir warten hier aufeinander, halten einen Augenblick inne, blicken Richtung Assisi und legen unsere Steine ab – verbunden mit einem stillen Gebet.

Musik 4: Meine Hoffnung und meine Freude

Mit innerer Freude machen wir uns nach dieser Rast wieder auf den Weg – die letzte Etappe. Immer wieder sehen wir nun den Turm der Basilika, dem wir spürbar immer näherkommen. Der Weg führt leichtabwärts in das Tal vor Assisi. Auf der andren Seite eines Flüsschens liegt das Franziskus-Wäldchen. Durch dieses sehr gepflegte Wäldchen geht es noch einmal kräftig bergauf. Wir kommen durch einen Park mit den Symbolen vieler Religionen, ein Friedenspark, der an die Friedensgebete hier in Assisi erinnert. Papst Johannes Paul II. hatte im Herbst 1986 zum ersten Mal dazu eingeladen. In einem kleinen offenen Tempelchen umgeben von den Symbolen der großen Weltreligionen, hängt die Weltfriedensglocke. Fast andächtig beginnen wir sie zu läuten. Sie klingt im Ton As – wie Assisi. Den Klang der Glocke verbinden wir mit dem Gebet für den Frieden in der Welt. Jeder Pilger ist eingeladen diese Glocke zu läuten und sich das Anliegen des Friedens zu eigen zu machen.

Von der Friedensglocke aus geht es nach nur wenigen Metern durch eine Tür in einer Mauer direkt auf den Vorplatz von San Francesco. Angekommen. Ganz beeindruckt stehen wir vor der Basilika. Sie strahlt hell im Glanz der Sommersonne. Die Mühen des Weges liegen hinter uns. Wir gehen zunächst in der Basilika die Stufen herunter zur Krypta. In der Unterkirche ist das Grab des heiligen Franziskus. Den Rucksack noch auf dem Rücken halten wir hier einen Moment inne. Dankbar für den Weg und verbunden mit allen, die wir im Herzen mitgenommen haben... Nach dem langen Pilgerweg ist es ein schönes Gefühl am Ziel zu sein. Aber jetzt geht es erst einmal zum Ausruhen in das Quartier, unweit der Basilika.

Musik: Pat Metheney: Travels (Album: Works)

Von der Ruhe des Weges durch die umbrische Landschaft zu wechseln in die lebendige Stadt Assisi fällt nicht ganz leicht. Im Besuchergedränge seiner Stadt ist mir Franziskus irgendwie ferner als auf den einsamen Pfaden nach Assisi, auf denen er damals auch gegangen war. Aber: In Assisi sind die Orte, die unmittelbar mit seinem Leben verbunden sind. Etwa die Chiesa Nuova. Sie steht an dem Ort, wo das Elternhaus von Franziskus stand mit den Lagerräumen, die für einen Tuchhändler notwendig waren. In einem solchen Lagerraum, der heute eine kleine Kapelle ist, vergegenwärtigen wir uns noch einmal Momente aus seiner Lebensgeschichte. Vor allem geht es um den heftigen Konflikt mit seinem Vater, der nicht ertragen konnte, dass sein Sohn einen solch radikalen Weg einschlug. Oben in der Kirche entdecken wir dann in einer Ecke eine enge Kerkerzelle. Sie ist wohl ein Überrest aus dem Elternhaus. Hier soll der Vater seinen Sohn eingesperrt haben. Ganz beeindruckt stehen wir davor und sprechen darüber, was es bedeuten kann, seinen Weg zu finden, Gott im eigenen Leben auf die Spur zu kommen und ihm dann auch zu folgen. Erst beim Verlassen der Kirche entdecken wir draußen neben der Eingangstür eine Tafel mit einem italienischen Text. Der stammt offensichtlich nicht von Franziskus, ist aber wohl in seinem Sinn verfasst. Eine Botschaft an diejenigen, die heute als Pilger nach Assisi kommen.

Bruder, Schwester, ich habe auf dich gewartet.
Sei willkommen in dem Haus, in dem ich geboren wurde
und wo ich die ersten 24 Jahre meines Lebens verbracht habe:
(…)

Bruder, Schwester
Du hast dich als Pilger
zu meinem irdischen Haus auf den Weg gemacht,
aber jetzt gehe auf das Haus Gottes in dir zu,
das führt dich zu Seinem Haus, zum Paradies.
Steh auf und geh.
Ich begleite dich mit dem Zeugnis meines Lebens.
Ich unterstütze deine Schritte mit meinem Gebet.
Geh. Ich warte auf dich. Gott segne dich.
(Franz von Assisi, dein Bruder)

Musik 5: Ludovico Einaudi: In un'altra vita (Album: I giorni)

Die Botschaft auf der Tafel an der Kirche über dem Elternhaus des Franziskus geht uns sehr nah. Wir fühlen uns angesprochen und zugleich ermutigt. Unser erster Impuls ist nun das Kreuz aufzusuchen, vor dem Franziskus mit Jesus Christus ins Gespräch gekommen ist. Das Kreuz, vor dem seine Bekehrung passierte. In der Kirche mit dem Grab der heiligen Klara wird es von Klarissen gehütet. Eine Klarissenschwester schenkt uns ein kleines Gebet, das Franziskus wohl häufig vor diesem Kreuz gebetet hat.

DU

lichtvoll über allem

erleuchte
die Finsternis meines Herzens

und schenke mir

einen Glauben,
der weiterführt,
eine Hoffnung,
die durch alles trägt,

und eine Liebe,
die auf jeden Menschen zugeht.

Lass mich spüren,
GOTT,

wer du bist,

und erkennen,
welchen Weg du mit mir gehen willst!

(Martina Kreidler-Kos, Nikolaus Kuster, Ancilla Röttger,
Mein Leben leuchten lassen, Ostfildern 2015, 17)

Dieses schöne Gebet wollte ich Ihnen noch mitgegeben haben. Als ein letzter Gruß von meiner Ohren-Pilger-Reise, die ich mit Ihnen gemacht habe nach Assisi, der Stadt des Heiligen Franziskus. Das Wandeln auf den Spuren eines Heiligen kann auch innerlich zu einer Wandlung führen. Vielleicht können unsere Erfahrungen Ihnen Ermutigung sein auf ihrem eigenen Weg.

Musik 5: Meine Hoffnung und meine Freude

„Pace e Bene“ – so lautet der Gruß der Franziskanischen Bewegung: Frieden und Wohlergehen. Und so grüße ich Sie aus Münster und wünsche Ihnen einen gesegneten Sommer, Ihr Spiritual Matthäus Niesmann.
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