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Kirche in WDR 5 | 05.08.2025 | 06:55 Uhr
Kikeriki
Guten Morgen.
In manchen Dingen sind wir uns ja ganz sicher. Und es ist gar nicht so einfach zu verstehen, warum andere es ganz anders machen wollen. Warum nicht gleich richtig – so wie wir?
Beispiel: Ein Hahn macht – „KIKERIKI“! Das weiß doch jedes Kind. Wir haben den Laut ja nicht erfunden, sondern der Gockel selbst… Denken wir!
Aber andere nehmen das offenbar anders wahr. Der Hahn auf Barbados, wo meine Frau aufgewachsen ist, macht „Cock-a-doodle-doo“. Der französische Hahn singt: „Coco-ri-co“. Der armenische: „Tsu-Ghru-Ghu.“
Wir haben als Kinder gelernt – so isses. Der Hahn auf dem Mist: Kikeriki! Aber – wir hätten es auch anders lernen können. In Bridgetown oder Paris zum Beispiel. Weil, der Hahn ist unnachahmlich. Wenn wir ihn nachmachen, vereinfachen wir, haben unsere Version: Völlig o.k., solange wir erkennen: Das ist unsere Version vom Hahn. – Aber andere haben andere Versionen vom Hahn… Mein unhinterfragtes Selbstverständlich und dein Selbstverständlich können sehr unterschiedlich sein. Darum lohnt es sich zusammenzukommen. Sich auszutauschen. Sich zuzuhören. Meinem eigenen beschränkten Horizont mehr Weite zu ermöglichen.
Beim Hund ist es übrigens ähnlich, denn der macht ja einfach: „WAU, WAU“. Also, ein deutscher Hund – zweimal „WAU“.
Ein englischer Hund bellt „WOOF – WOOF.“
Ein niederländischer „WAF – WAF“.
Ein russischer „GAV – GAV“
Ein rumänischer „HAM – HAM“.
Oder ein kantonesischer: „WONG – WONG“.
Die Katze ist in den meisten Sprachen relativ „MIAU“. Die Kuh ziemlich „MUH“.
Während aber in Deutschland sich Frösche und alle meine Entchen im heimischen Teich gut zu verstehen scheinen: „QUACK“ & „QUACK“.
Hören sich Frösche in Polen „KUM KUM“ oder Ungarn: „BREKEKE“ sehr, sehr anders an als die zum Beispiel estnische „PRÄÄKS“ oder dänische „RAP“ – Ente.
Und jetzt wird’s richtig spannend. Denn es macht nicht Halt bei Tieren…
Wie geht’s mit dem menschlichen Aufschrei, wenn man sich den kleinen Zeh gestoßen hat?
Ungefiltert, unüberlegt, aus den Tiefen vorsprachlicher Schmerzempfindung brüllt der Deutsche: „AU.“
Und „OW“ der Engländer.
In Südafrika, in Afrikaans schreit man: „EIN_HA.“
In Japan: „ITAI“
In Albanien: „UUF“
In Suaheli ruft man „EH“ und auf die Bekundung des Schmerzes von einem, folgt eine Antwort der Umstehenden, wie eine kleine Beileidsbekundung: „Pole.“ – „Tut mir leid für dich!“ Klingt ungewöhnlich, aber machen wir doch auch, wenn einer niest. Es kommt mir unhöflich vor, auf das „Hatschi“ nicht „Gesundheit“ zu antworten.
In diesem Kontext ist Korea besonders wunderbar, denn da kommt’s auf die Feinheiten an:
Männerschmerz führt zu „AISH“, – eine Frau ruft für gewohnt aber „AIGO.“
An dieser Stelle – ENTSCHULDIGUNG, PARDON, SORRY – wenn ich die Laute deiner Kindheit und Kultur erschreckend unzureichend zum Besten gegeben habe. Aber es ist eben nicht alles so KIKERIKI, so WAU-WAU oder AU AU, nicht so schwarz und weiß – wie man manchmal meint. Nicht so selbstverständlich wie wir’s uns manchmal machen.
Die meisten Dinge, die Gott schuf, sind erstaunlich bunt! Vielseitig, vielschichtig, vielfarbig.
Oder in anderen Worten: Wir können viel voneinander lernen! KIKERIKI!
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und WDR 5: )
In diesem Sinne und gar nicht selbstverständlich, einen wundervollen Tag mit offenen Ohren und einem offenen Herzen wünscht Ihnen, Patrick Depuhl, Alpen.
Quellen: Patrick und Judy Depuhl, „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“, DePoolHouse, 2024.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze