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Das Geistliche Wort | 07.12.2025 | 08:40 Uhr

Eine Zeit bricht an

Oscar Arnulfo Romero ist Erzbischof von San Salvador, als er am 23. März 1980 die folgenden Worte in einer Predigt sagt:

„Ich möchte besonders an die Männer der Streitkräfte und konkret an die Basis der Nationalgarde, der Polizei und der Kasernen appellieren: Brüder! Ihr seid Teil unseres Volkes. Ihr tötet in den Campesinos eure eigenen Brüder und Schwestern! Aber über jedem Tötungsbefehl, den ein Mensch erteilen kann, steht das Gesetz Gottes, welches da lautet: Du sollst nicht töten! Kein Soldat ist gezwungen, einem Befehl zu gehorchen, der dem göttlichen Gesetz widerspricht. Niemand muss ein unmoralisches Gesetz erfüllen. Es ist an der Zeit, dass ihr eurem Gewissen folgt und nicht sündigen Befehlen!“ (Predigt am 23.03.1980 in San Salvador)

Oscar Romeros Predigt wird über Rundfunk in ganz El Salvador übertragen. Tags darauf wird er bei der Feier der Hl. Messe von einem Killer erschossen. Den Auftrag zu seiner Ermordung hatten Militärs und mächtige Familien seines Landes erteilt. Wie kam es zu dieser Predigt eines Bischofs, der zunächst als unpolitischer frommer Bücherwurm galt? Und wie kam es in der Folge zu seiner Ermordung?

Diesen Fragen möchte ich heute nachgehen und: lassen Sie uns darüber nachdenken, was es heißt, prophetisch zu reden. Adventszeit ist „Prophetenzeit“.

Meine Name ist Peter Kossen, ich bin Pfarrer in Lengerich und freue mich, dass Sie heute dabei sind.


Musik 1:Ennio Morricone: „Gabriels Oboe“,
Ensemble Domenico Zipoli; Sonidos de la Tierra


Bischof Oscar Romero hatte drei Jahre vor dieser Predigt, die ihm das Leben kostete, ein grausames Massaker mit ansehen müssen. Damals schoss die Nationalgarde von El Salvador auf Tausende Menschen, als diese demonstrierten gegen einen offensichtlichen Betrug bei den Präsidentschaftswahlen. Demonstranten, die aus Angst in die Kathedrale geflohenen waren, wurden mit Gas ausgeräuchert. Drei Missionare wurden schwer gefoltert und dann des Landes verwiesen. In der Pfarrkirche eines ermordeten Pfarrers richtete die Nationalgarde ihr Hauptquartier ein, zur politischen Säuberung unter den Gemeindemitgliedern. Pater Rutilio Grande, ein Jesuit und Freund von Romero, hatte gegen soziale Ungerechtigkeit gepredigt. Er wurde von Maschinenpistolen der Polizei in seinem Auto durchsiebt. Mit ihm starben im gleichen Wagen der 70-jährige Küster und ein 15-jähriger Messdiener.
Alle diese Ereignisse haben Romero die Augen geöffnet. Er nennt es später „seine Bekehrung“. Ab da funktioniert Romero sein Bischofshaus um zur Bischofs-Cafeteria. Sie wird zum Treffpunkt für Journalisten und Landarbeiter, Professoren und Arbeitslose, Studenten und Hausfrauen. Notleidende und Verfolgte finden hier eine offene Tür, ein offenes Ohr und eine offene Hand. „Ein Bischof muss immer viel von seinem Volk lernen“, sagt Romero jetzt. Und was er ab jetzt sagt, in seinen Predigten, das wird immer politischer und prophetischer. Mit bloßer Wohltätigkeit können die Probleme El Salvadors nicht gelöst werden. Das ist ihm jetzt klar. Romero nutzt die Medien: Er baut eine katholische Radiostation und eine Wochenzeitschrift aus, um landesweit zu informieren über Ausbeutung, Korruption und Verfolgung in seiner Heimat. Und – vielleicht unvorstellbar im WDR: Romeros Predigten werden zur meistgehörten Radiosendung des Landes. Spätestens jetzt wird er den Eliten gefährlich. Der Radiosender wird in die Luft gesprengt. Ein Mitarbeiter wird erschossen und auch vier Jugendliche. Sogar die ganze Jesuiten-Universität wird in die Luft gejagt.


Musik 2: Reinard Mey: „Nein, meine Söhne geb ich nicht“


Oscar Romero hat die Kirche definiert als Anwältin der Armen und Entrechteten. Er war überzeugt: Die Kirche verrät ihre Liebe zu Gott und ihre Treue zum Evangelium, wenn sie aufhört, die Stimme derer zu sein, die keine Stimme haben. So wurde Oscar Romero zum Propheten in einer entscheidenden Zeit seines Landes und der Kirche. Er wurde zur Stimme der Gerechtigkeit. Im Namen Gottes hatte er eine Botschaft auszurichten. Doch: Was genau bedeutet es, wenn ich von Propheten sprechen?

Propheten sind keine Wahrsager und Prophetie ist keine Wettervorhersage. Das Wort „Prophet“ kommt aus dem Griechischen und bezeichnet eine Aufgabe, nämlich, Botschaften Gottes an die Menschen auszurichten. Die Prophetin leiht ihre Stimme Gott, damit seine Botschaft durch sie verkündet und gehört wird. Erzbischof Romero war ein Prophet unserer Tage. In seiner letzten großen Predigt, am Tag vor seiner Ermordung, fordert er die Soldaten der Nationalgarde von El Salvador wegen ihrer Greueltaten zur Befehlsverweigerung auf:

„Im Namen Gottes und im Namen dieses leidenden Volkes, dessen Klagen jeden Tag lauter zum Himmel steigen, ersuche ich euch, bitte ich euch, befehle ich euch im Namen Gottes: Hört auf mit der Unterdrückung!“ (Predigt am 23.03.1980 in San Salvador)

Propheten sprechen mit der Autorität dessen, von dem sie sich gesandt wissen. Vielleicht mehr als ihre Zeitgenossen ahnen sie, was kommt. Sie wollen drohendes Unheil noch abwenden; deshalb fordern sie Gerechtigkeit und einen Glauben an Gott, der in der Öffentlichkeit konkrete Gestalt gewinnt. Propheten fordern und leben den Übergang in eine neue Weltordnung. Ihre Worte sind oft vergeblich und nicht ungefährlich, aber sie können nicht anders. Sie spüren den Anspruch, den Gott auf sie hat, und zugleich spüren sie seine bedingungslose Liebe. Christlichem Leben wohnt das Prophetische inne, das Wachsame und Achtsame. Barmherzigkeit ist die Haltung, die daraus erwächst. Prophetinnen und Propheten identifizieren sich mit den Kleinen und Schwachen – kompromisslos. Sie beunruhigen mit ihrer Botschaft im Namen Gottes; sie machen rebellisch und prangern Ungerechtigkeit an. Sie werden laut, wenn die Kleinen und Schwachen missachtet werden. Dagegen stehen sie auf. Propheten sind Gerechtigkeitskämpfer, Visionäre, Revolutionäre… - Prophet*innen unserer Tage sind Persönlichkeiten wie Mahatma Ghandi, Dietrich Bonhoeffer, die Mitglieder der Weißen Rose, Madeleine Delbrel oder Rosa Luxemburg.


Musik 3: Hannes Wader: „Die Gedanken sind frei“


Von Propheten ist in der Bibel häufig die Rede. Einer der bekanntesten ist Amos. Dieser Amos ist Rinderzüchter und Obstbauer. Er tritt im 8. Jahrhundert vor Christus im Heiligtum Bethel auf. Das liegt nördlich von Jerusalem im heutigen Westjordanland. Dort schreit Amos im Namen Gottes in den feierlichen Tempelgottesdienst hinein:


„Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen. Wenn ihr mir Brandopfer darbringt, ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Habt ihr mir etwa Schlachtopfer und Gaben dargebracht während der vierzig Jahre in der Wüste, ihr vom Haus Israel?“ (Am 5,21-259

Was ist passiert? In einer Zeit wirtschaftlicher Blüte in Israel Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. drängen der König und die Führungsschicht des Landes durch hohe Abgaben die Kleinbauern gezielt in die Schuldsklaverei. Diese Schuldsklaven können sie dann beliebig ausbeuten. Daraufhin tritt Amos auf und nennt das Unrecht beim Namen - und die Schuldigen auch. Amos wird sehr konkret, - wohlgemerkt, mitten im feierlichen Gottesdienst:

„Hört dies, die ihr den Armen tretet und ?darauf aus seid,? die Elenden im Land zu vernichten,
und sagt: Wann ist der Neumond vorüber, dass wir Getreide verkaufen, und der Sabbat, dass wir Korn anbieten; um das Efa zu verkleinern und den Schekel zu vergrößern und die Waage
?zum? Betrug zu fälschen, um die Geringen für Geld und den Armen wegen eines Paares Schuhe zu kaufen, und damit wir den Abfall des Korns verkaufen? Geschworen hat der HERR beim Stolz Jakobs: Wenn ich alle ihre Taten jemals vergessen werde! Sollte darüber nicht die Erde erbeben und jeder trauern, der auf ihr wohnt? – dass sie sich insgesamt erhebt, wie der Strom und aufwogt und zurücksinkt wie der Strom Ägyptens? (Am 8,4-8)

Wie kaum anders zu erwarten, lassen die politischen und die religiösen Eliten die Tätigkeit des Propheten nicht zu; Amos wird aus dem Heiligtum geworfen. Seine Spur verliert sich im Dunkel der Geschichte. Dass es das Buch Amos trotzdem in der Bibel gibt, zeigt: Sich mit gesellschaftlichen und politischen Missständen auseinanderzusetzen, das gehört ganz wesentlich zu unserem Glauben dazu. Was sonst hätte so ein Buch in der Bibel zu suchen? Mit dem billigen Verweis: „Politik gehört nicht in die Kirche“ können wir uns Amos nicht entziehen. Seine Analyse ist erdrückend, auch heute!


Musik 4: Pippo Pollina: ”Il giorno del falco”


Amos, Oscar Romero… -
Ist Prophetie nur etwas für Spezialisten, Rebellen und „Hochleistungsfromme“? Das tut sich doch keiner freiwillig an: Widerstand, Verfolgung, Lebensgefahr! - Durch die Taufe, so glauben Christen, hat jeder die Würde und das Charisma eines Königs, Priesters und Propheten, einer Königin, Priesterin und Prophetin. Das Prophetische ist Christen also zu Eigen, ist quasi unsere Grundausstattung.

Das muss betont werden, denn unsere Kirchen sind ständig in der Gefahr einer „Verbürgerlichung“. Das heißt: Wir richten uns ein in Kirchensteuern und Privilegien, beschäftigen uns vorzugsweise mit den Gebildeten und Guterzogenen und verlieren wichtige Gesellschaftsgruppen aus dem Blick: Migranten und Bürgergeldempfänger, Ausgebeutete und Abgehängte. Wohnungsnot, Klimakrise, Lieferkettengesetz… - Wenn ich sehe, wie unsere Erde buchstäblich verbrennt und wie zugleich mit Klimaprotesten umgegangen wird, dann habe ich den Eindruck: Die Gesellschaft stört sich mehr am Feuermelder als am Feuer. Sie will die Feuermelder ausmachen, aber nicht das Feuer. – Deshalb braucht es so dringend Menschen, die alternativ leben und prophetisch reden! In unseren jüdisch-christlichen Wurzeln ist der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung fest begründet.


Musik 5: Andrea Bocelli: „Dolche é sentire“ aus: „Fratello sole, sorella luna“


Die Botschaft der Propheten ist nicht nur die Warnung vor der drohenden Gefahr und die Ansage des Gerichts Gottes. Gerade jetzt in der Adventszeit höre ich die Worte des Propheten Jesaja. In wunderschönen Bildern malt er aus, wie es sein wird, wenn Gottes Reich die neue Wirklichkeit ist:


„Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.“ (Jes 2,4)

Hören wir abschließend auch noch einmal den Propheten Oscar Romero mit einem tröstenden Wort voller Zuversicht:

„Man hat mir vielfach mit dem Tode gedroht. Als Christ muss ich Ihnen sagen, dass ich an einen Tod ohne Auferstehung nicht glaube. Wenn man mich tötet, werde ich im Volk von El Salvador wieder auferstehen. Das sage ich ohne die geringste Wichtigtuerei, sondern mit der größten Demut. Als Hirt bin ich durch ein göttliches Gebot verpflichtet, mein Leben für die zu geben, die ich liebe, und das sind alle Einwohner von El Salvador. Auch für die, die mich möglicherweise töten werden. ... Wenn Gott das Opfer meines Lebens annimmt, dann soll mein Blut Samenkorn der Freiheit und Zeichen dafür sein, dass die Hoffnung bald Wirklichkeit wird. ... Wenn man mich umbringt, verzeihe ich denen, die das tun, und segne sie. Aber sie sollten wissen, dass sie ihre Zeit vertun: Ein Bischof, ja, der mag sterben. Aber die Kirche Gottes, die das Volk ist, die wird nie untergehen.“

(zitiert nach: Maria López Vigil, Oscar Romero. Ein Portrait in tausend Bildern, Luzern 1999, S. 313)


Musik 6: Soffie: „Immer Frühling“


Adventszeit ist Hoffnungszeit. Hoffnung, die zum Handeln drängt, das wünsche ich Ihnen deshalb gerade jetzt. Aus Lengerich grüßt Sie Pfarrer Peter Kossen.

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