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Kirche in WDR 5 | 29.07.2025 | 06:55 Uhr
Wahnsinn, Liebe, Glückseligkeit – 10 Jahre Parookaville
Sommerzeit – das ist immer auch Festival-Zeit. Seit Jahrzehnten zieht es Millionen Menschen weltweit auf diese musikalischen Großveranstaltungen.
Und unisono betonen alle Festival-Fans immer wieder die einzigartige Atmosphäre: Meist auf angrenzenden Campingplätzen untergebracht vermitteln die Festivals Freiheit und Unabhängigkeit. Dieses Gefühl sucht seinesgleichen. Jede und jeder kann hier so sein, wie er oder sie will – es gibt keinerlei Zwänge – Hauptsache, gut drauf.
Auch wenn jetzt Camping so gar nicht
mein Ding ist: Auch ich bin seit Jahren infiziert mit dem Festival-Virus. Denn
das gibt es seit jetzt genau zehn Jahren bei uns am Niederrhein, genauer auf
dem alten, britischen Militärflughafen Weeze: „Parookaville“. Bei diesem Festival
steht vor allem elektronische Musik im Mittelpunkt. Jetzt können Sie sich
Fragen: ein katholischer Landpfarrer auf einem der größten Raves der
Bundesrepublik? Nun: mich
fasziniert vor
allem das Konzept, das einst aus einem Dorffest entstand: Bernd Dicks und sein
Team haben einfach mal rumgesponnen: Parookaville, die „Stadt der Träume“,
wurde angeblich vor langer Zeit von Bill Parooka erdacht, der seiner Zeit schon
weit voraus war. Und einmal im Jahr wird diese Stadt zum Leben erweckt. Vielleicht
brauchte es so ein Dorffest, um eine legendäre Stadt zu planen. Und so hat das
unfassbar große Gelände von über 166.000 Quadratmetern wirklich alles, was eine
Stadt eben so braucht: ein Rathaus, Fabriken, Lagerhallen,
Bekleidungsgeschäfte, Gaststätten, ein Freibad, ein Gefängnis, ein
Gründer-Denkmal, einen Stadtwald, ein sandiges Wüstental, einen Jahrmarkt und
sogar eine eigene Kirche. Und eben zahlreiche Bühnen, auf denen gut 300 DJ’s,
Musiker und Gruppen für gute Stimmung sorgen.
Seit einigen Jahren darf ich mich auch zu dieser Gemeinschaft dazu zählen. Und ich genieße das jeweils freitags am Festival-Wochenende in vollen Zügen. Rund 75.000 Menschen bevölkern an dem Tag das Dorf und feiern das Leben. „Wahnsinn, Liebe und pure Glückseligkeit“ – das spiegelt das Lebensgefühl auf diesem Festival wieder. Jenseits aller Grenzen von Religion, Sprache und Volkszugehörigkeiten. Und ja – die Kirche von Parookaville besuche ich natürlich auch regelmäßig. „Hier kannst Du heiraten, wen oder was Du auch liebst.“ Manchmal lache ich herzlich über die humorvollen Inszenierungen von „Hochzeiten“ dort; manchmal schüttele ich nur den Kopf; manchmal werde ich sehr nachdenklich; manches Mal bin ich auch zutiefst gerührt von dem Geschehen, das sich dort abspielt. Umwerfend meine Erkenntnis: Egal, was dort stattfindet – die Menschen kommen glücklich aus der kleinen Holzkirche heraus. Festival eben.
„Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns.“ Das hören die katholischen Christen heute aus dem Neuen Testament in den Gottesdiensten. Und ich habe mir genau das vor zwölf Tagen, als ich in der Parookaville-Kirche saß, auch wieder vorgestellt.
Christinnen und Christen sollten mit daran arbeiten: „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns“.
Aus Jüchen, nicht aus Parookaville, grüßt Pastor Ulrich Clancett.