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Kirche in WDR 2 | 18.09.2025 | 05:55 Uhr
Einstein
„Papa“, sagt mein Neunjähriger zu mir, „was ist denn so besonders an diesem ‚Einstein‘?“
Ich fühle meinen großen Moment gekommen: Wie gut, dass Väter alles erklären können. „Also, Albert Einstein“, sage ich, „das ist ein Physiker gewesen. Bis heute ganz berühmt. Wegen der Relativitätstheorie. E=mc².“, sage ich. Und bin stolz, dass ich dem Kind ein bisschen Allgemeinbildung mitgeben kann. „Und was bedeutet das?“ Oh! Rückfragen. Ungünstig. Eigentlich war das schon so ziemlich alles, was mir zu dem Thema eingefallen ist. Aber ich kann doch deswegen jetzt nicht aufhören, zu erklären. „Ja“, sage ich, „also die Relativitätstheorie, das ist, weil… Also die Lichtgeschwindigkeit…“ Und ich rede und rede. Und merke selbst, wie meine Erklärung langsam aber sicher in sich zusammenfällt. Ein krachender Zusammenbruch väterlicher Selbstüberschätzung. Wie unangenehm! Auf der anderen Seite: Vielleicht auch ganz gut so. Dass man ab und zu mal an die eigenen Grenzen erinnert wird. Denn ehrlich gesagt: Ich reihe mich ansonsten schon gerne ein in die lange Reihe der Allesversteher, der verkappten Bundestrainer, der besserwissenden Welterklärer, die zu jedem noch so komplizierten Problem – Politik, Fußball, Gesellschaft, Wirtschaft, egal – immer eine klare Meinung haben. Und die eigentlich nur eines nicht verstehen können: Warum es Leute gibt, die nicht derselben Meinung sind. Vielleicht braucht man einfach solche Momente, wo dich einer aufweckt aus diesem Traum.
Schon der Apostel Paulus sagt: „Unser Wissen ist Stückwerk!“ (1. Kor 13,9) Und das ist als positive Erinnerung gemeint. Denn wenn ich mir eingestehe, „ich weiß auch nicht alles“, dann kann ich plötzlich die Welt ganz anders wahrnehmen. Wenn sich alle eingestehen, dass sie auch nicht alles wissen, dann haben wir ein fröhliches und ehrliches Miteinander. In dem jeder das einbringt, was er denkt und auf das hören kann, was ein anderer denkt. Auch wenn es der eigenen Meinung widerspricht. Weil man sich erinnert: „Mein Wissen ist Stückwerk. Und dein Wissen ist Stückwerk. Aber gemeinsam kriegen wir das schon hin.“ Ich sitze immer noch auf der Couch. Grübelnd. Und ein bisschen beschämt. Mein Kleiner ist schon längst in den Untiefen seines Kinderzimmers verschwunden. Und ich denke: „Tja, Väter wissen wohl doch nicht alles/ können wohl doch nicht alles erklären. Und das ist eigentlich auch gut so.“
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius