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Kirche in 1Live | 17.12.2025 | floatend Uhr
Scheinheilig schenken
Jedes Jahr dasselbe: „Ich will dieses Weihnachten mal was Persönliches schenken. Zeit statt Zeug. Vielleicht einen Brief. Oder was Selbstgemachtes. Und dann – zack – ist der 20. Dezember. Und ich sitz da, durchgeschwitzt, mit drei Tabs offen und bestell doch wieder diesen einen Gutschein, der in 24 Stunden geliefert wird. Weil: Ist ja praktisch. Und besser als nix. Und kann man ja immer gebrauchen.
Wir
reden so viel von Entschleunigung, Achtsamkeit, Menschlichkeit – aber wenn’s
ernst wird, gewinnt doch wieder der Schnellste.
Der mit dem besten Versand. Der mit dem wenigsten Aufwand. Und
ich nehm mich da nicht raus. Ich will auch das warme Gefühl, das „Ich hab mir was überlegt“-Leuchten in den
Augen der anderen – ohne dafür stundenlang Plätzchen zu backen. Aber
vielleicht ist genau das der Punkt: Wenn wir ehrlich sind, geht’s nicht um Perfektion. Nicht um große Gesten.
Sondern um den Versuch, es wenigstens ein bisschen echter zu machen. Einen Moment lang nicht nur an Konsum zu denken,
sondern an den Menschen dahinter.
Und wenn’s dann doch ein Gutschein wird – dann vielleicht mit ’nem ehrlichen Satz dazu: „Ich hatte keine Zeit. Aber ich hab an dich gedacht.“
Rosália Rodrigues, Münster
