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Kirche in WDR 2 | 01.08.2025 | 05:55 Uhr
Wer etwas macht - hat Macht
Heute ist der letzte Tag unserer Kinderstadt HöVi-Land, von der ich vor zwei Wochen erzählt habe. Viele der fast 500 Kinder werden heute bei der Abschiedsshow weinen. Einmal, weil es auch im zweiunddreißigsten Jahr wieder vorüber ist; aber hoffentlich auch, weil es ja nächstes Jahr wieder weitergeht.
Wir Erwachsenen freuen uns über das neue Buch von Jürgen Wiebicke, bekannt als Moderator des Philosophischen Radios jeden Montagabend in WDR 5. Das Buch hat den Titel „Erste Hilfe für Demokratieretter“. Darin schreibt Wiebicke über unsere Kinderstadt: "HöVi-Land ist ein Beispiel dafür, wie sich eine Einheit der Verschiedenen bilden kann, eine Antwort auf die Krise von Organisationen, die stark an Tradition und gemeinsam geteilter sozialer Herkunft orientiert waren. Gemeinsame religiöse Überzeugungen sind hier nicht mehr die Bedingung, um dabei zu sein, es gilt der lapidare Grundsatz: Wer etwas macht, hat die Macht".
Jürgen Wiebicke beschreibt dann auch, wie HöVi-Land das Jahr über weiter wirkt. In der Familienwerkstatt gibt es über hundert Angebote von der Krabbelgruppe, das Familienwochenende bis zur Väter—Kinder-Fahrt. Die Mütter haben mal Pause und nehmen gerne parallel am Wellness-Wochenende teil. Alles zu äußerst moderaten Gebühren. Auch die Verschönerungsaktionen im Stadtteil erwähnt der Autor: Blumenbeete etwa oder über 100 Weihnachtssterne an den Laternen sowie 50, Tannenbäume an den Straßen, welche die Kindergärten oder Schulklassen schmücken. Denn unser Motto ist mit Hilde Dornin: "Wir essen Brot, aber leben von Glanz". Oder ganz praktisch ausgedrückt: Wo es arm ist, darf es nicht ärmlich sein.
Jürgen Wiebicke schreibt: "Im Grunde geht es darum, verschüttete Traditionen der Solidarität und Nachbarschaftshilfe, wie sie am gleichen Ort vor 100 Jahren mal in der klassischen Arbeiterbewegung gelebt wurden, in unsere Zeit unter völlig anderen Bedingungen zu transponieren".
Der Schriftsteller Martin Walser hat gesagt: "Leben ist nicht wie Musik hören, sondern wie Musik machen". Genau das versuchen wir in der Kinderstadt zu vermitteln: nicht nur konsumieren, sondern gestalten!
So bleiben heute bei unserer Abschiedsshow vom HöVi-Land natürlich alle Handys draußen. So gibt es ein Mottolied, das alle begeistert mitsingen. Basteln, tanzen, trommeln, spielen. Gemeinsam, nicht einsam. Gemeinsinn statt Eigennutz. Wahrscheinlich weinen die Kinder heute Nachmittag, weil das so schön ist.