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Kirche in WDR 2 | 24.09.2025 | 05:55 Uhr
Echte Gespräche
Jetzt also die Hortensien…Ich habe ja schon von vielen Klimakillern gehört. Aber seit kurzem hab ich im Netz gelernt: Hortensien gehören hierzulande wohl auch dazu: Die schlucken viel zu viel Wasser. Die meisten nützen den Insekten wenig bis nichts. Als Pflanzenfreundin lese ich jetzt mehr und mehr im Netz: Unzählige Menschen sind sich einig, dass eine Hortensie unnötig bis fahrlässig ist, wenn es um nachhaltiges Gärtnern geht. Ich hab seitdem ein leicht schlechtes Gewissen, weil mir Klimaschutz wichtig ist. Aber: Ich finde meine Hortensien herrlich. Die Psychologie hat einen Begriff für meinen Zustand: Kognitive Dissonanz. Das meint das unangenehme Gefühl, weil eine Person zur gleichen Zeit widersprüchliche Gedanken, Einstellungen oder Verhaltensweisen in sich hat. Also in meinem Fall: Ich möchte aktiven Klimaschutz betreiben. Und: Ich möchte Hortensien auf der Terrasse. Kognitive Dissonanz kann bei ganz unterschiedlichen Themen entstehen – zum Beispiel, weil man Tiere liebt und sie dennoch isst. Oder wenn man möglichst gesund alt werden möchte und dennoch raucht. Es gibt etliche Beispiele dafür. Und viele dieser Themen werden in den letzten Jahren heiß diskutiert. Und wie das mit unangenehmen Gefühlen so ist: Wir versuchen, sie loszuwerden oder zumindest, sie zu reduzieren. Mal, indem wir uns schönreden, was wir tun. Oder es umdeuten. Mal, indem wir unser Verhalten ändern. In meinem Fall ist es eine Mischung: Die Hortensien, die ich habe, werden weiter gehegt und gepflegt. Schließlich sind sie schon mal da. Neue ziehen aber nicht mehr in meine Beete.
Jetzt ist das mit den Aushalten von solchen Widersprüchen im eigenen Denken bei Blumen eher leicht. Auch Kritik von außen trifft mich hier nicht bis ins Mark. Wenn es aber um Dinge geht, die mir am Herzen liegen, um meine Einstellungen und Haltungen zum Beispiel, wirds deutlich schwieriger. Ich möchte mich, bei dem, was mir wirklich wichtig ist, nicht maßregeln lassen. Wenn ich da sowas höre, wie „Wie kann man nur“ rebelliert es in mir schon mal im Sinne von „Da lasse ich mir nicht reinreden!“ Und wenn das so ist, dass Kritik von anderen maßregelnd ankommt und deshalb auf verschränkte Arme trifft, nenne ich das ein sattes Kommunikationsproblem.
Als Theologin kann ich da einen uralten Tipp weitergeben, vom Heiligen Ignatius von Loyola höchstpersönlich. An den erinnere ich mich gerne auch selbst einmal. Ignatius Kommunikationsstrategie lautet: Versuche die Aussage des anderen zu retten! Das meint, erstmal wohlwollend zuzuhören, statt schnell zu urteilen. Und: Zunächst davon auszugehen, dass der andere Gutes meint. Selbst, wenn es sich für mich erstmal nicht so anhört. Das Ziel dahinter ist, zu verstehen, was die Person ausdrücken möchte und was ihn oder sie zu dieser Sicht der Dinge bringt. Worin er oder sie den Mehrwert sieht. Gut möglich, dass ich dennoch widerspreche. Aber sehr viel wahrscheinlicher landen wir auf diese Weise eher in einem echten Gespräch miteinander. Eines, in dem alle das Gefühl haben, sagen zu dürfen, was ihnen wichtig ist. Sich gesehen fühlen. Respektiert, vielleicht sogar verstanden. Eine Meinung haben und vielleicht verändern zu können, ohne Gesichtsverlust. Meine Meinung: Das würde in vielen Diskussionen guttun. Gerade dann, wenn es um mehr als Blumen geht.