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Kirche in WDR 3 | 11.11.2025 | 07:50 Uhr
Der kleine Frosch
Guten Morgen!
Es gibt diese alte koreanische Geschichte über den kleinen grünen Frosch. Und dieser Frosch ist vor allem für eine Sache berühmt: Er tut immer genau das Gegenteil von dem, was andere von ihm verlangen. Wenn seine Mutter sagt: „Bleib sitzen!“, springt er auf. Wenn sie sagt: „Geh nach links!“, hüpft er nach rechts. Und so weiter. Sein ganzes Leben lebt er rückwärts, nicht vorwärts wie alle anderen.
Als seine Mutter alt wird und im Sterben liegt, hat sie einen letzten Wunsch: Sie will am Berg begraben werden. Doch sie denkt bei sich: Mein Sohn ist mir immer ungehorsam gewesen und hat immer das Gegenteil von dem getan, was ich von ihm verlangt habe. Wenn ich ihn nun bitte, er soll mich am Berg beerdigen, wird er mich höchstwahrscheinlich am Fluss bestatten. Also bittet die Mutter den kleinen grünen Frosch darum, sie am Fluss zu bestatten - in der Hoffnung er begräbt sie dann am Berg.
Aber diesmal, zum ersten Mal in seinem ganzen Leben, beschließt der Frosch, seiner Mutter zu gehorchen. Er will ihr die Ehre erweisen - und begräbt sie tatsächlich am Fluss. Kurz darauf kommt der Monsunregen. Das Wasser steigt - und spült letztlich das Grab seiner Mutter weg. Da sitzt der kleine grüne Frosch am Flussufer und weint. Weil er zu spät erkannt hat, dass sein Eigensinn ihn blockiert hat - und ihn daran gehindert hat, das zu tun, worauf es ankommt. Deshalb, so erzählt die Geschichte, weinen die Frösche auch heute immer noch, wenn es regnet.
Mich berührt diese Erzählung - denn sie zeigt, wie schwer es ist, die Balance zu finden zwischen eigenem Denken und dem Hören auf andere. Natürlich sind die Wünsche anderer wichtig, und es kann gut sein, darauf einzugehen. Aber blinder Gehorsam führt oft ins Gegenteil, zu etwas Schlechtem: zu Abhängigkeit oder emotionalem Missbrauch. Ich habe es schon erlebt, in Familien, in Unternehmen, sogar in Kirchen - dass Gehorsam benutzt wird, um Menschen zu kontrollieren.
Auch in der Bibel ist viel von Gehorsam die Rede. Aber damit ist nicht blinde Unterwerfung gemeint. Es geht nicht darum, seine eigenen Bedürfnisse zum Schweigen zu bringen. Gehorsam heißt hier: Vertraue dem Leben. Orientiere dich an der Liebe - und tue das Richtige, wenn andere Unterstützung brauchen. Wenn sie in Not sind oder traurig, einsam oder bedroht. Auch dann, wenn es dich Mut kostet, wenn du dich überwinden musst, wenn du dabei vielleicht sogar Geld oder Ansehen verlierst.
So verstanden hat Gehorsam nichts mit Angst zu tun, sondern mit Freiheit – Freiheit von Kontrolle. Aber auch die Freiheit davon, sein Leben rückwärts zu leben oder immer dagegen - wie der kleine grüne Frosch. Er ist gefangen in seinem „ich mach auf keinen Fall was andere sagen“ und läuft damit auch in die Irre. Wenn es nach Gott geht, geht es um Freiheit FÜR etwas: für Liebe, für Gerechtigkeit, für einen Blick für die anderen um mich herum und deren Bedürfnisse.
Solche Freiheit wünscht Ihnen,
Ihr Pfarrer Bernd Becker aus Bielefeld.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
