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Hörmal | 03.08.2025 | 07:45 Uhr
Mehr als Gastfreundschaft
Halbzeit der Sommerferien in Nordrhein-Westfalen. Und da passt es doch, über Gastfreundschaft zu sprechen. Auf die sind wir im Urlaub kaum noch angewiesen – also ich zumindest buche fast immer im Voraus und was ich dann erfahre, sind eher touristische Serviceleistungen. Aber: Wer im Urlaub echte Gastfreundschaft erfährt, der bekommt ja meist noch die Kirsche auf der Torte mit. Echte Gastfreundschaft zu erleben ist unbezahlbar – und deshalb so wertvoll: ein herzlicher Empfang, echte Hilfsbereitschaft, ein vertrauensvolles Lächeln, ein leckeres Mahl. Echte Gastfreundschaft meint eben: dem Gast ein Freund sein. Meine Erfahrung: Je fremder das Land ist, das ich bereise, umso wichtiger ist die Gastfreundschaft. Denn als Gast in der Fremde muss ich mich auf andere Menschen verlassen und ihnen vertrauen – vor allem dann, wenn einmal etwas schiefläuft. Wie einmal in Ghana in Westafrika. Da hatte ich eine Reifenpanne auf einer wenig befahrenen Landstraße. Es dauerte einige Zeit, bis jemand vorbeikam. Aber die Leute hielten an und halfen mit beim Radwechsel.
Damals hab ich erfahren, dass die anderen mir als dem Fremden zu Freunden geworden sind. Gastfreundschaft ist dann sozusagen Fremdenfreundschaft. Hört sich vielleicht etwas spitzfindig an „Fremdenfreundschaft“ statt „Gastfreundschaft“. Dahinter steckt allerdings eine lange kulturgeschichtliche Entwicklung. Denn es hat ganz schön lange gebraucht in der Menschheitsgeschichte, bis man im Fremden nicht einen Feind sah, sondern eher einen Gast oder gar einen Freund.
Früher nahm man vielleicht noch Mitglieder der eigenen Sippe bei sich auf. Aber jemand „wildfremdes“? Wie eine Art Echokammer dieser Zeit ist die Bibel. Hier lese ich noch heute Texte, die mitunter schon über 3000 Jahre alt sind. So wie die berühmte Erzählung des Stammvaters Abraham. Der wird von drei Fremden aufgesucht (vgl. Gen 18). Die ganze Szene wird überschrieben mit „Gastfreundschaft“. Eigentlich heißt es da aber mit einem griechischen Begriff „philoxenia“, zu Deutsch: „Fremdenfreundschaft“. Der Clou der Szene: Es ist Gott, der als der Fremde zu Abraham kommt und ihm eine große Familie verheißt. Daher ist die Geschichte so zentral: Nur weil Abraham die drei Fremden aufgenommen hat, wurde er noch im hohen Alter Vater. Und damit jener Stammvater, den Juden, Christen und Muslime gleich verehren. Viel später heißt es dann an einer anderen Stelle in der Bibel (Hebr 13,2): „Vergesst die Fremdenfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt!“
Eigentlich ist der jüdisch-christlichen Kultur die Fremdenfreundschaft ins Stammbuch geschrieben. Umso mehr macht es mich traurig, dass es noch heute dieses Ressentiment gibt gegenüber dem Fremden als Feind. Hier in Deutschland stimmt laut einer repräsentativen Umfrage jeder fünfte Befragte ausländerfeindlichen Thesen zu.[1]
Klar: Im Urlaub haben diese Ressentiments meist auch Ferien – ist man ja selbst in der Fremde und hofft auf Gastfreundschaft. Aber mir ist diese Grundhaltung zu wichtig, als dass wir sie nur im Urlaub für uns erfahren wollen. Das ist zu billig.
„Vergesst die Fremdenfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt!“ Wer weiß also, wen man als Fremden beherbergt. Und umgekehrt: Vielleicht bin ich als Fremder – nicht nur im Urlaub – ein Engel für andere?
[1] Vgl.: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/562722/umfrage/entwicklung-der-auslaenderfeindlichkeit-in-deutschland/ .