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Kirche in WDR 2 | 28.11.2025 | 05:55 Uhr
Gottes bunte Stadt
Bereinigt! Ein Wort, das nach Frühjahrsputz klingt, für viele Menschen aber so schrill wirkt wie das Heulen eines Staubsaugers. In den vergangenen Wochen wurde in NRW intensiv darüber diskutiert, wie das Stadtbild „bereinigt“ werden soll. In Köln, Düsseldorf oder Dortmund sprechen die Verantwortlichen von „optischer Aufwertung“, davon „Sichtachsen freizuhalten“ oder davon „unpassende Erscheinungen zu vermeiden“. Auf den ersten Blick harmlos, aber die Debatte zeigt, dass hinter diesen Begriffen oft strittige Entscheidungen stehen.
Denn oft geht es dabei nicht um Müll oder Graffiti, sondern um Menschen.
Um Wohnungslose, die auf öffentlichen Plätzen schlafen.
Um Bettelnde, die stören könnten.
Um Vielfalt, die nicht in ein sauberes Bild passt.
Ich verstehe ja den Wunsch nach Ordnung. Niemand möchte Dreck oder Angst-räume. Aber wenn Ordnung wichtiger wird als Menschlichkeit, dann läuft etwas schief.
Ich muss gestehen: Wenn ich durch unsere Städte gehe – über den Ebertplatz in Köln, die Kettwiger Straße in Essen oder durch die Düsseldorfer Altstadt – dann sehe ich dort eher Gottes Handschrift als Unordnung. Menschen aus vielen Ländern, Hinweisschilder in verschiedenen Sprachen, ganz unterschiedlich verlockende Gerüche aus Buden und Restaurants, Kopftuch neben Kapuze, Rollator neben E-Scooter … Das alles ist für mich kein Chaos, sondern Schöpfung in 3D!
Ganz am Anfang der Bibel steht:
„Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte – und siehe, es war sehr gut.“
Nicht: einheitlich.
Nicht: aufgeräumt.
Sondern: sehr gut!
Gott liebt Vielfalt. Er hat keine Monokulturen geschaffen, sondern einen Garten voller Farben, Klänge und Lebensformen. Und wer diesen Garten „bereinigen“ will, riskiert, die schönsten Blumen mit dem Unkraut auszureißen. Hoffnung und Leben wächst dort, wo Verschiedenheit Platz hat. Jesus hat nie gesagt: „Macht alle gleich“, sondern: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.“ Und Liebe ist nie gleichförmig glattgebügelt – sie ist lebendig, laut, manchmal unordentlich … und immer bunt.
Darum: Wenn jemand das Stadtbild „bereinigen“ will, dann wünsche ich mir,
dass Gott ihm den Besen aus der Hand nimmt. Denn Gottes Stadt ist kein
Reinigungsobjekt, sondern ein Mosaik seiner Gnade.
Lasst uns also nicht putzen, sondern pflanzen. Nicht bereinigen, sondern beleben. Und darin Hoffnung finden: Dass Gottes bunte Stadt mitten unter uns wächst – auf jedem Marktplatz, in jeder Nachbarschaft, in jedem offenen Herzen.
Quellen:
(1) Die Bibel, Genesis 1,31
(2) Die Bibel, Johannes 13,34
Redaktion: Landespfarrerin Julia-Rebecca Riedel
