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Kirche in WDR 4 | 14.10.2025 | 08:55 Uhr
Die unsichtbare Burg
Guten Morgen.
Im Sommer war ich mit einem unserer Kinder in der Nähe von Koblenz unterwegs. Erst mit dem Rad und dann zu Fuß. Unser Ausgangspunkt ist eine kleine Burg an der Mosel und das Ziel Burg Eltz. Wir gehen durch eine kühle Schlucht, an einem kleinen Bach entlang. Auf dem Weg wachsen schon kleine Pilze. Hier ist offensichtlich lange niemand mehr gewesen. Zwei Stunden sind wir zu Fuß unterwegs, ohne dass wir irgendjemandem begegnen. Schließlich kommen wir an ein großes Feld auf einer Hochebene mit einem weiten Blick in die Landschaft. Doch von Burg Eltz ist immer noch nichts zu sehen. Dabei sieht sie auf den Fotos im Internet so imposant aus. Immerhin zeigt das Navi an, dass wir nicht mehr weit entfernt sind, auch wenn wir es kaum glauben können. Wir gehen weiter bis wir schließlich zu einem Parkplatz kommen. Auf einmal sind da überall Menschen. Und ein paar Minuten später können wir die Burg Eltz endlich sehen. Eine große und mächtige Schutz- und Trutzburg, und doch verborgen.
Mir fällt das alte Lied von Martin Luther ein, dass er zu Psalm 46 aus der Bibel gedichtet hat: „Ein feste Burg ist unser Gott“. Vermutlich hatte Luther dabei eher die Wartburg vor Augen. Die ist als Landmarke schon von weitem sichtbar - hoch über der Stadt Eisenach.
Wenn es mit Gott doch auch so wäre, denke ich. Dass ich ihn immer vor Augen habe. Als starke Burg. In der ich Schutz suchen kann, wenn ich Hilfe brauche. Wie praktisch wäre es, wenn Gott schon aus der Ferne sichtbar wäre.
Ich denke an den verlassenen Weg zur Burg Eltz mit den kleinen Pilzen auf dem Weg. Und an unsere leichten Zweifel, ob wir noch richtig sind. Weil dort niemand sonst unterwegs ist. Aber die Burg war ja da, und wir haben sie irgendwann auch erreicht, auch wenn wir sie lange nicht gesehen haben.
Und ich denke an Situationen, in denen ich ziemlich allein unterwegs gewesen bin und mich schutzlos gefühlt habe. In denen ich mir nichts mehr gewünscht hätte, als ein Zeichen von Gott zu sehen und von seiner Kraft.
Als ich die Burg
Eltz sehe, die sich so lange unserem Blick entzogen hat, denke ich: Ein
bisschen so ist es auch mit Gott. Ganz oft kann ich so wenig von seinem Handeln
erkennen oder ich spüre ihn einfach nicht. Und dann irgendwann merke ich auf
meinem Weg: Gott ist da. Gott hat mich auch auf den Teilstrecken begleitet, auf
denen ich ihn nicht „gesehen“ habe. Er war und ist nie wirklich weg.
Er ist da, zum Beispiel in seiner wunderbaren Schöpfung, wie der Dichter Walt Whitman es einmal beschrieben hat: „Das grüne Gras ist (wie) ein duftendes Taschentuch Gottes mit Seinen Initialen.“ (1) Was ist dann erst das leuchtende Herbstlaub jetzt im Oktober?
Oder ich denke an die Begegnung mit einem alten Bekannten nach langer Zeit. Wir reden und hören einander einfach zu. Und auf einmal ist da eine Nähe, nicht nur miteinander, sondern auch mit Gott. Er ist da, jetzt - und er war es in all den Situationen, von denen wir uns erzählen. „Ein feste Burg ist unser Gott“.
Einen gesegneten Tag wünscht Ihnen, Pastor Heinz-Bernd Meurer aus Velbert.
Quellen:
(1) Walt Whitman, in Ernesto Cardenal, Das Buch von der Liebe 1973 Siebenstern Taschenbuch ©1971 Hammer Verlag, Wuppertal, Seite 21.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze