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Kirche in WDR 3 | 18.10.2025 | 07:50 Uhr
Auf das Leben
Guten Morgen.
An einem der letzten Sonntage bin ich mal wieder gestolpert. Nein, nicht über eine Bordsteinkante oder auf einem holprigen Weg.
Ich bin im Gottesdienst am Sonntag mal wieder über das apostolische Glaubensbekenntnis gestolpert. Wenn es da über Jesus heißt:
geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, ….
Dabei ist mein Stolperstein gar nicht die Hervorhebung der Jungfräulichkeit Marias. Ich bin viel mehr über etwas gestolpert, was gar nicht dasteht.
Geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und begraben, …
Und ich frage mich: „Fehlt da nicht was?“ Abgesehen natürlich von der Auferstehung, aber die kommt ja dann noch etwas später im Bekenntnis.
Es ist was anderes: Ich frage mich: Klafft da nicht mittendrin eine riesengroße Lücke zwischen geboren und gelitten?
Was ist denn mit dem Leben Jesu vor der Leidensgeschichte?
Da gibt es vier Evangelisten, die genau davon berichten, was Jesus gesagt und getan hat. Und, wie er Menschen begegnet ist.
Ich lese in ihren Schriften, wie Jesus ganz einfache Geschichten erzählt. Familiengeschichten zum Beispiel, wie die von einem Sohn, der nichts mehr von seiner Familie wissen will. Eine Geschichte wie sie jeder irgendwie kennt. Und doch ist es eine Geschichte wie aus einer anderen Welt. Wenn der Vater den Sohn ohne eine Frage und ohne jeden Vorbehalt(!) wieder in seine Arme und in sein Haus aufnimmt. Und ich ahne etwas von der vorbehaltlosen Liebe Gottes, die allen Menschen gilt.
Ich lese, dass die Kleinsten bei Gott die Größten sein werden und die Ärmsten allen Grund zur Freude haben. Jesus lässt die, die allem erst einmal mit Misstrauen begegnen, ins Leere laufen und straft alle Vorurteile Lügen. Den Vertretern der Religion wäscht er den Kopf und seinen Jüngern die Füße. Und in einer männerdominierten Gesellschaft wendet er sich besonders den Frauen zu.
Jesus rührt vor allem die an, denen andere Menschen jedes Gefühl für Wert und Würde genommen haben. Und er lässt sich berühren, von den Kranken und Gekränkten ebenso wie von den Gescheiten und Gescheiterten. Und ich ahne etwas davon, wie anders wir miteinander umgehen könnten, einfach barmherzig.
Und nicht zuletzt lese ich davon, wie Jesus mit seinem Vater im Himmel spricht. Er spricht mit ihm wie mit einem guten Vater oder wie mit dem liebsten Menschen auf der Welt. Und es macht mir Mut, selbst so mit Gott zu reden
Mir helfen all diese Geschichten aus dem Leben Jesu und ich lese sie auch nach Jahren immer wieder gerne. Auch wenn sie nicht im Glaubensbekenntnis stehen.
Es ist gut, wenn ich als Christ in dieses alte Bekenntnis einstimme und mich dabei an die Geburt und den Tod von Jesus erinnern lasse. Aber ich möchte mich dabei immer auch an das Leben von Jesus erinnern und mich inspirieren lassen zu einem einfachen und zufriedenen Leben. Und ich möchte lernen, Menschen mit Jesu Augen zu sehen. Und zwar gerade die, die anders ticken als ich. Nicht immer gleich zu fremdeln, sondern eher zu barmherzigen. Jesu Leben zeigt mir: Ich kann immer auch anders! Ich will es versuchen.
Es grüßt Sie, Pastor Heinz-Bernd Meurer aus Velbert.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze