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Kirche in WDR 2 | 03.12.2025 | 05:55 Uhr
Gesehen
Traditionell in rot stand er seit Monaten im Esszimmer. „Das ist der Weihnachtsstern von der Kirche. Der sieht immer noch gut aus!“ hat mein Vater jedes Mal gesagt, wenn ich ihn besucht habe. Und das auch noch lange nach Weihnachten, bis ins Frühjahr hinein. Mein Papa hat die Pflanze gehegt und gepflegt. Weil er so gerührt darüber war, dass es an einem Nachmittag in diesem Advent 2011 an seiner Tür schellte. Und da stand eine Frau von der St. Josefs-Gemeinde in Ahlen. „Guten Tag, Herr Bans, schön, dass Sie zuhause sind. Wir möchten Ihnen gerne diesen Weihnachtsstern schenken.“ So ähnlich hat sich die Frau wohl ausgedrückt. Mein Vater war verblüfft. Hat das Ganze für einen Irrtum gehalten. Er war weder regelmäßig in der Kirche noch ehrenamtlich in der Gemeinde engagiert. Aber dann hat ihm die Frau gesagt, dass sie ehrenamtlich im Caritasausschuss mitarbeitet und dass sie sich überlegt haben, in diesem Advent allen Menschen eine kleine Freude zu machen, die in dem Jahr einen lieben Menschen verloren haben. Also kein Irrtum. Mein Vater hatte in dem Sommer seine Frau verloren. Er hat die Frau von der Gemeindecaritas reingebeten und sie haben ein wenig geredet. Und ab da hatte der rote Weihnachtsstern einen Ehrenplatz in der Wohnung und irgendwie auch im Herzen meines Vaters. Klingt kitschig, war aber so. Denn der Weihnachtsstern hat ausgedrückt: Du wirst gesehen. In Deiner Trauer. Dieses Weihnachten ist nicht leicht. Neben seiner Familie und engen Freunden hatten noch andere Leute das auf dem Schirm, Advent und Weihnachten - das ist für Trauende schwer, weil schöne gemeinsame Traditionen wegfallen. Weil drumherum alles nach Gemütlichkeit schreit und zuhause die Einsamkeit oft mit auf dem Sofa sitzt. Mein Vater hat sich so sehr über diese Geste gefreut, dass auch ich sie nie vergessen habe. Schon oft dachte ich: „Das müsste man auch mal organisieren.“ Und dann bin ich doch wieder drüber hinweggekommen. In diesem Jahr bin ich’s einfach eine Nummer kleiner angegangen. Keine große Gemeindeaktion, sondern ganz privat habe ich überlegt: Wen kenne ich, der oder die in diesem Jahr einen lieben Menschen verloren hat? Wem möchte ich zeigen, dass ich ihn, sie sehe und darum weiß, dass diese Wochen nicht ohne sind?
Manchen habe ich eine Karte geschrieben. Anderen eine Kleinigkeit geschickt oder vorbeigebracht. Auch ein Weihnachtsstern war dabei. Und ein zweiter hat einen Ehrenplatz auf meinem Esstisch. Er erinnert mich an die, die es gerade schwer haben. Und an all die vielen Menschen, die auch in diesen Wochen ehrenamtlich unterwegs sind, um anderen das Leben ein bisschen leichter zu machen.
