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Kirche in 1Live | 02.08.2014 | floatend Uhr
Langsamer Protest
Wer vor 150 Jahren so richtig unangepasst sein wollte, der nahm seine Schildkröte an die Leine und spazierte mit der langsam, ganz langsam über die Boulevards von Städten wie London, Paris und Berlin. Flaneure nannte man diese Protestler, die schon ziemlich abge-fahren waren in ihrer Zeit. Damals hatten sich die Städte durch die Industrialisierung stark verändert. Es gab die ersten überdachten Einkaufsstraßen und wer es sich leisten konnte hier entlang zu schlendern, der wollte das auch zeigen. Die Bürgersteige wurden voller, die Hektik größer. Gegen diesen Großstadtstress wollten die Flaneure mit den Schildkröten auf langsame Weise protestieren. Sie wollten das „urbane Feeling“ erlebbar machen.
Heute nennt man das „entschleunigen“, wenn man mal bewusst auf die Bremse tritt. Es tut gut sich mal nicht im Strom in der City in den nächsten Laden mittreiben zu lassen, sondern da mal rauszutreten und einfach nur zuzugucken; sich mal nicht von der Hektik anstecken zu lassen. Ich mache das ganz gerne – auch ohne Schildkröte an der Leine. Dann nehme ich die vielen unterschiedlichen Menschen war, die so an mir vorbeilaufen - junge, alte, die Schicken und die, deren zerknitterte Gesichter wahrscheinlich spannende Geschichten vom Leben erzählen könnten. Ich sehe die Erfolgreichen und die, die sich im Leben schwer tun; glückliche Paare und einsame Menschen, Leute von hier und von anderswo. Ich sehe meine Stadt und ich frage mich, ob sie all denen eine Heimat bietet.
Das wünsche ich mir: Dass es in unserer Stadt für jeden Platz gibt, der hier eine Heimat sucht - unabhängig von Alter, Herkunft oder Bankkonto.
Martin Kürble, Düsseldorf
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