Dresscode

Es ist eine ungewöhnliche Hochzeit: Die Braut trägt ein Kleid mit dem sie auf keiner Party besonders auffallen würde, der Bräutigam läuft ohne Krawatte rum und hat schon mindestens drei Knöpfe am Hemd offen. Auch von den Gästen trägt keiner Anzug oder Ballkleid. Die Sektkisten haben sie auf einem Bollerwagen mitgebracht. Diese Hochzeitsgesellschaft ist anders als gewohnt. Keinem scheint die schicke Kleidung zu fehlen. Im Gegenteil: Diese Hochzeitsgruppe, die ich an einem Samstag in der Innenstadt treffe, sieht sehr entspannt und gelöst aus. Keine Männer schwitzen unter zu engen Krägen, keine Frauen zupfen nervös an ihren Kleidern rum. So als wollten sie sagen: Macht euch nicht so viele Gedanken, was ihr anziehen sollt. Diese Hochzeit und auch kein anderes Fest ist nicht weniger schön, wenn die Mädels nicht auf hohen Absätzen laufen oder die Jungs nicht im feinen Zwirn ankommen.

Ich denke, diese Hochzeitsgesellschaft hat, vielleicht ohne es zu wissen, etwas gemacht, von dem Jesus in seiner berühmten Bergpredigt spricht: Sich keinen zu großen Kopf machen! Sorgt euch nicht um Äußerlichkeiten wie den Dresscode, hat er ungefähr gesagt. Schaut euch die Blumen an – die sorgen sich auch nicht darum und sind trotzdem schöner als jede Braut der Welt. Sorgt euch lieber um die wichtigen Dinge: Um Gerechtigkeit, um echte Gemeinschaft, um Hoffnung für Verzweifelte. Vielleicht können einige in meiner Kirche davon noch was lernen.

Christian Schröder, Aachen

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